Verjährungseinwand war nach dem BGH möglich

Das Feststellungsbegehren ist unbegründet, weil – wie der Schuldner mit Recht einwendet – mögliche Ansprüche der Antragstellerin aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung hinsichtlich der Unterhaltsrückstände aus der Zeit vom 1.6.1994 bis 31.7.1996 verjährt sind. Der nur gegen die Feststellung, dass die Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stamme, gerichtete Widerspruch des Schuldners ist zulässig.

Materielles Recht entscheidet

Das Feststellungsbegehren hat nur Erfolg, wenn und soweit der Gläubigerin ein durchsetzbarer – insbesondere unverjährter – materiell-rechtlicher Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zusteht. Hierzu genügt es nicht, dass der Antragsgegner der zur Tabelle angemeldeten Forderung als solcher nicht widersprochen hat.

 

Hinweis

Es konnte im konkreten Fall dahinstehen, ob der Gläubigerin Ansprüche aus rückständigem gesetzlichem Unterhalt zustehen, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat (§ 302 Nr. 1 InsO n.F.), denn angemeldet war die Forderung nur (auch) aus vorsätzlich unerlaubter Handlung. Allein hierauf bezieht sich das Feststellungsbegehren. Vor dem 1.7.2014 waren Unterhaltsforderungen allerdings noch nicht privilegiert, so dass dem Gläubiger nichts vorzuwerfen ist. Heute müsste der Gläubiger die Forderung (auch) aus beiden Rechtsgründen anmelden.

 

Musterformulierung

… Des Weiteren wird die vorgenannte Forderung auch als

Verbindlichkeit aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung sowie als
Verbindlichkeit aus rückständigem gesetzlichem Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat,

angemeldet.

Die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung ergibt sich aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 170 StGB. Dass sich der Schuldner seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht entzogen hat, so dass der Lebensbedarf der Unterhaltsberechtigten gefährdet wurde oder ohne die Hilfe anderer gefährdet worden wäre, ist durch das in der Anlage beigefügte Strafurteil belegt. Die darin niedergelegte Handlung begründet in gleicher Weise, dass die angemeldete Verbindlichkeit aus rückständigem gesetzlichem Unterhalt besteht, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat. Es wird vor diesem Hintergrund erwartet, dass der Schuldner der qualifizierten Anmeldung nicht widerspricht.

Zwei Forderungen – zwei Prüfungen

Gegenstand der Feststellungsklage ist bei einem relativen Recht die jeweilige Forderung. § 302 Nr. 1 InsO stellt darauf ab, ob ein materiell-rechtlicher Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung besteht. Nur diese Ansprüche werden gemäß § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob dem Gläubiger (auch) ein anderer, wirtschaftlich auf das gleiche gerichteter Anspruch zusteht. Entscheidend ist nicht, ob der Gläubiger den zur Tabelle festgestellten Anspruch hat, sondern ob und in welchem Umfang der Gläubiger die zur Tabelle angemeldete Forderung auch aufgrund eines Anspruchs aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners verlangen kann. Mithin ist es unerheblich, dass Unterhaltsansprüche aus den Jahren 1994 bis 1996 gemäß § 91 BSHG auf die Antragstellerin übergegangen und zur Tabelle festgestellt sind.

 

Hinweis

Das begründet das Erfordernis, schon im Erkenntnisverfahren aus beiden Rechtsgründen vorzugehen. Allerdings kann im gerichtlichen Mahnverfahren nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2003, 515 = InVo 2003, 70) die Qualifizierung des Rechtsgrundes nicht festgestellt werden, da dort nur Geldforderungen tituliert werden. Nach dem Einspruch des Schuldners gegen den Vollstreckungsbescheid hätte allerdings die Klage erweitert werden müssen.

 

Musterformulierung

… wird beantragt:

  1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständigen Unterhalt in Höhe von … EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem … zu zahlen.
  2. Es wird festgestellt, dass die Verbindlichkeit aus Ziffer 1 aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung sowie aus rückständigem gesetzlichem Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, resultiert.

Begründung: … Der Klageantrag zu Ziffer 2) rechtfertigt sich aus §§ 850d, 850f Abs. 2 ZPO sowie § 302 InsO. Er ist erforderlich, um die privilegierte Durchsetzung sicherzustellen und eine Verjährung der qualifizierten Forderung zu vermeiden (vgl. BGH vom 3.3.2016 – IX ZB 33/14, FoVo 2016, 152).

Rechtsanwalt

Der Fehler: Keine Titulierung der Qualifizierung

Im Streitfall hatte die Gläubigerin genau diese doppelte Titulierung versäumt, so dass im Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung allein der materielle, untitulierte Anspruch bestand, der – damals nach § 852 BGB a.F., heute nach § 195 BGB – binnen drei Jahren ab der Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen verjährt. Spätestens mit dem Strafurteil lag diese Kenntnis vor. Mangels Titulierung erfolgte keine Verlängerung der Verjährung auf 30 Jahre nach ...

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