Leitsatz

1. Die Verurteilung des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft zur Erstellung einer Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG für Kalenderjahre, in denen er die Verwaltung geführt hat, ist als Verurteilung zur Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung gemäß § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch Androhung von Zwangsmitteln und nicht als Verurteilung zur Vornahme einer vertretbaren Handlung gemäß § 887 Abs. 1 ZPO im Wege der Ersatzvornahme zu vollstrecken.

2. Die Verurteilung des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft zur Erstellung eines Wirtschaftsplans für ein Kalenderjahr nach § 28 Abs. 1 WEG ist nicht zu vollstrecken, wenn dieses Kalenderjahr zum Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung abgelaufen ist.

BGH, Beschl. v. 23.6.2016 – I ZB 5/16

1 I. Der Fall im Überblick

Erstellung von Jahresrechnung und Wirtschaftsplan

Die Gläubiger sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Die Schuldnerin war die Verwalterin dieser Gemeinschaft. Sie wurde durch Anerkenntnisurteil verurteilt, für die WEG für die Kalenderjahre 2011, 2012 und 2013 jeweils eine Jahresabrechnung und für das Kalenderjahr 2014 einen Wirtschaftsplan aufzustellen und den Gläubigern Einsicht in die für die Wohnungseigentümergemeinschaft geführten Verwaltungsunterlagen zu gewähren.

 

Hinweis

Vertragspartner des Verwalters und damit Gläubigerin ist grundsätzlich die WEG und nicht der einzelne Wohnungseigentümer. Deshalb kann nur die WEG die Erfüllungsansprüche geltend machen. Der einzelne Wohnungseigentümer ist zwar in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen, kann aber nur Schadensersatzansprüche geltend machen.

Vertretbare oder unvertretbare Handlung

Die Gläubiger betreiben die Zwangsvollstreckung aus dem Anerkenntnisurteil. Nach ihrer Ansicht handelt es sich bei der Erstellung der Jahresabrechnungen und des Wirtschaftsplans um vertretbare Handlungen, die nicht nur von der Schuldnerin, sondern auch von einem anderen Hausverwalter vorgenommen werden können.

Antrag auf Ersatzvornahme nach § 887 ZPO

Die Gläubiger begehren die Ermächtigung, durch eine von ihnen zu beauftragende Hausverwaltung die titulierten Pflichten erfüllen zu lassen, die Duldung des Betretens und der Durchsuchung der Geschäftsräume und einen Kostenvorschuss von 4.784 EUR. Das AG hat dem Antrag stattgegeben. Im Beschwerdeverfahren hat die Schuldnerin die Abrechnungen vorgelegt, die die WEG aber als nicht von der Schuldnerin stammend und zugleich fehlerhaft zurückgewiesen hat.

LG sieht unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO

Das LG hat auf die Beschwerde den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, es handele sich jedenfalls dann um eine unvertretbare Handlung, wenn sich die betreffenden Unterlagen noch im Besitz dieses Verwalters befänden. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der WEG.

 

Hinweis

Als Alternative zum Rechtsmittel wäre in Betracht gekommen, hilfsweise einen Zwangsgeldantrag nach § 888 ZPO zu stellen (hierzu Goebel, Anwaltformulare Zwangsvollstreckung, 5. Aufl. 2016, § 13). Auf diese Weise wäre ggfs. schneller als im Rechtsmittelweg eine Befriedigung zu erreichen gewesen.

2 II. Aus der Entscheidung/Der Praxistipp

BGH folgt LG bei der Einordnung

Die Verurteilung des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft zur Erstellung einer Jahresabrechnung für Kalenderjahre, in denen er die Verwaltung geführt hat, ist als Verurteilung zur Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung und nicht als Verurteilung zur Vornahme einer vertretbaren Handlung zu vollstrecken.

Die Abgrenzung zwischen vertretbar und unvertretbar

Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger gemäß § 887 Abs. 1 ZPO von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen. Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, nach § 888 Abs. 1 S. 1 ZPO auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Ein Titel hat eine nicht vertretbare Handlung zum Inhalt, wenn der zu vollstreckende Anspruch zu einer Handlung verpflichtet, die nicht durch einen Dritten vorgenommen werden kann, sondern ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängig ist, jedoch nicht in der Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 ZPO) besteht. Von einer nicht vertretbaren Handlung ist auch auszugehen, wenn ein Dritter Teile der Handlung vornehmen könnte.

Vollstreckung der Jahresrechnung

Konkret: Streit um die Einordnung bei einer Jahresrechnung einer WEG

Die Frage, ob es sich bei der Verurteilung des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft zur Erstellung einer Jahresabrechnung (§ 28 Abs. 3 WEG) um die Verurteilung zur Vornahme einer vertretbaren Handlung (§ 887 Abs. 1 ZPO) oder einer nicht vertretbaren Handlung (§ 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO) handelt, ist in Rech...

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