Leitsatz

Ist die Honorarvereinbarung eines Zahnarztes mit einem gesetzlich versicherten Patienten über den Eigenanteil für eine prothetische Versorgung formnichtig, kann sich der Patient im Zahlungsprozess nach Durchführung der zahnprothetischen Behandlung nicht darauf berufen, dass hinsichtlich des von ihm zu tragenden Eigenanteils keine schriftliche Vereinbarung getroffen worden ist.

BGH, Urt. v. 3.11.2016 – III ZR 286/15

1 Der Praxistipp

Immer mehr privatärztliche Forderungen

Die Beitreibung von Forderungen von Ärzten und sonstigen Heilberufen im Inkasso nimmt zu. Dies betrifft insbesondere Forderungen gegenüber Privatpatienten. Sie beruhen nicht selten auf Honorarvereinbarungen zwischen dem Arzt und dem Patienten. Solche Honorarvereinbarungen unterliegen strengen Formvorschriften. Werden sie nicht gewahrt, ist die Honorarabrede unwirksam, so dass folglich aus ihr keine Ansprüche hergeleitet werden können. Demgegenüber ist aber die Leistung erbracht worden. Der BGH zeigt, wie der Vergütungsanspruch – als Ausnahme – noch gerettet werden kann.

Beachten Sie die Formvorschriften für eine Honorarvereinbarung!

Nach § 2 Abs. 1 GOZ kann durch Vereinbarung zwischen Zahnarzt und Patienten eine von der gesetzlichen Gebührenordnung abweichende Gebührenhöhe festgelegt werden. Eine solche Vereinbarung ist nach § 2 Abs. 2 GOZ nach persönlicher Absprache im Einzelfall zwischen Zahnarzt und Patienten vor Erbringung der Leistung des Zahnarztes schriftlich zu treffen. Dieses muss neben der Nummer und der Bezeichnung der Leistung, dem verein barten Steigerungssatz und dem sich daraus ergebenden Betrag auch die Feststellung enthalten, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen, d.h. Krankenkassen, Beihilfestellen oder auch private Zusatzversicherungen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist. Weitere Erklärungen darf die Vereinbarung nicht enthalten. Der Zahnarzt hat dem Patienten einen Abdruck der Vereinbarung auszuhändigen. Nichts anderes gilt, wenn ein Heil- und Kostenplan zu erstellen ist.

Was aber, wenn die Form nicht eingehalten wird?

Grundsätzlich ist die Honorarvereinbarung damit formnichtig und der höhere Honoraranspruch besteht nicht. Wer das als Arzt, Abrechnungsstelle oder auch Rechtsdienstleister nicht hinnehmen will, findet in einer aktuellen BGH-Entscheidung Unterstützung.

Der Formmangel eines Rechtsgeschäfts ist nur ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich. Formvorschriften dürfen im Interesse der Rechtssicherheit nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen außer Acht gelassen werden. Ausnahmen sind deshalb nur zulässig, wenn es nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, das Rechtsgeschäft am Formmangel scheitern zu lassen. Dabei sind aber strenge Maßstäbe anzulegen. Das Ergebnis darf die betroffene Partei nicht bloß hart treffen, sondern es muss schlechthin untragbar sein. Das hat die Rechtsprechung und Literatur (BGHZ 92, 164, 172; BGH NJW 2005, 3633; BGH NJW 1996, 2503; BGHZ 138, 339; BGH NJW 2004, 3330; MüKoBGB/Einsele, 7. Aufl., § 125 Rn 57 ff.; Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., § 125 Rn 22, 27 ff.; jeweils m.w.N.) bisher in zwei Fällen angenommen:

die Fälle der Existenzgefährdung des einen Teils und
die Fälle einer besonders schweren Treuepflichtverletzung des anderen Teils. Eine besonders schwere Treuepflichtverletzung kommt regelmäßig dann in Betracht, wenn eine Partei in schwerwiegender Weise gegen das Verbot des venire contra factum proprium verstoßen hat, etwa dadurch, dass sie die Erfüllung der von ihr übernommenen Verpflichtung verweigert, nachdem sie über längere Zeit die Vorteile aus der formunwirksamen Vereinbarung in Anspruch genommen hat.

Wer bewusst alle Vorteile genießt, muss auch zahlen

Im konkreten Fall hat der BGH die zweite Alternative angenommen. Nach den getroffenen Feststellungen wurde der Patient über die geplanten Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten umfassend aufgeklärt. Er hat sich dann bewusst für die teurere, über das zahnmedizinisch notwendige Maß hinausgehende Behandlungsalternative entschieden. Erstmals nach Abschluss der Behandlung, d.h. nachdem er sämtliche Vorteile aus der zahnärztlichen Versorgung gemäß dem Heil- und Kostenplan in Anspruch genommen hatte, berief er sich auf die Nichteinhaltung der Schriftform. Das war dem BGH dann doch zu viel des Guten und er sah den Vergütungsanspruch über § 242 BGB als begründet an.

Bei formnichtigen Honorarvereinbarungen eines Arztes kann also eine "Heilung" gelingen, wenn die umfassende Kostenaufklärung zumindest dokumentiert ist oder auf andere Weise nachgewiesen werden kann.

FoVo 6/2017, S. 112 - 113

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