Leitsatz

Sonstige Einkünfte, die kein Erwerbseinkommen sind, können nur für unpfändbar erklärt werden, soweit dies erforderlich ist, damit dem Schuldner ein unpfändbares Einkommen in Höhe der von § 850c Abs. 1, 2a ZPO bestimmten Grundbeträge verbleibt.

Sonstige Einkünfte sind nur eigenständig erwirtschaftete Einkünfte. Ansprüche aus einem Pflichtteilsanspruch zählen nicht hierzu.

BGH, 7.4.2016 – IX ZB 69/15

1 I. Aus dem Sachverhalt

Insolvenzverfahren gegen den Schuldner

Gegen den Schuldner wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und auf seinen Antrag die Restschuldbefreiung angekündigt. Er erzielt laufende Einkünfte aus einer Berufsunfähigkeits- und zwei Unfallrenten in einer Höhe von – im Jahr 2011 – monatlich insgesamt 1.057,74 EUR. Das Insolvenzgericht hat die Reihenfolge, in der der nach § 850c ZPO unpfändbare Betrag zu entnehmen ist, bestimmt, während sich zugunsten der Masse ein pfändbarer Betrag von 35,78 EUR monatlich ergab und auch abgeführt wurde. Der Treuhänder erstattete seinen Schlussbericht und beantragte, einen Schlusstermin zu bestimmen. Das Insolvenzverfahren ist (noch) nicht abgeschlossen.

Schuldner will 75 % des Pflichtteils behalten

Am 3.6.2012 verstarb der Vater des Schuldners, worauf der Schuldner 2013 eine Pflichtteilsklage gegen seine Mutter erhob, die mit einem Vergleich über die Zahlung von 6.750 EUR endete. Der Schuldner führte hiervon 3.375 EUR an den Treuhänder ab. Später beantragte er, den pfandfreien Betrag nach § 36 Abs. 4 InsO weiter anzuheben und ihm aus dem an die Insolvenzmasse abgeführten Betrag eine Summe von 1.956,18 EUR zu belassen, weil er in dieser Höhe eine Krankenhausrechnung bezahlen müsse. Es handele sich um eine außergewöhnliche Belastung gemäß § 850f Abs. 1 lit. b ZPO. Der Treuhänder forderte den Schuldner im Gegenzug auf, auch den Restbetrag des Pflichtteilsanspruchs an die Insolvenzmasse abzuführen. Das verweigerte der Schuldner, weil er von diesem Betrag Kaution und Umzugskosten habe bezahlen müssen und auf den Kauf einer Küche angewiesen sei. Er beantragte deshalb weiter, ihm auch den noch nicht an die Insolvenzmasse abgeführten Betrag von 3.375 EUR zu belassen.

Das AG hat die Anträge des Schuldners zurückgewiesen, dies wurde aber unter Zurückverweisung des Verfahrens vom LG aufgehoben. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Insolvenzverwalters.

2 II. Aus den Entscheidungsgründen/Praxistipp

Entscheidung gilt auch in der Einzelvollstreckung

Anders als das LG folgt der BGH der Argumentation des AG und stellt dessen Entscheidung wieder her. Sie ist zwar im Insolvenzverfahren ergangen, betrifft im Ergebnis aber das Verständnis von § 850i ZPO, d.h. die Frage, wie mit sonstigen Einkünften des Schuldners umzugehen ist und in welchem Umfang diese pfändungsfrei sind. Betroffen ist dabei die Pfändung beim Erben als Drittschuldner ebenso wie der Antrag des Schuldners auf Erhöhung seines Pfändungsfreibetrages auf einem P-Konto nach § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850i ZPO.

 

Hinweis

§ 852 ZPO beschränkt die Pfändung des Pflichtteilsanspruchs. Er ist der Pfändung nur unterworfen, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist. Im konkreten Fall des BGH musste dies nicht problematisiert werden, weil der Schuldner auf Gewährung des Pflichtteils gegen seine Mutter geklagt hatte. In anderen Fällen ist taktisch vorzugehen: Der Gläubiger muss erst klären, ob der Schuldner den Anspruch geltend macht und der Erbe ihn anerkennt. Dabei ist auch zu sehen, dass der Pflichtteilsanspruch den besonderen Verjährungsbestimmungen des § 2332 BGB unterliegt.

Pflichtteilsanspruch gehört zur Insolvenzmasse

Nach dem BGH steht dem Schuldner kein Pfändungsschutz nach § 850i ZPO hinsichtlich seiner Forderungen aus dem Pflichtteilsanspruch zu. Gemäß § 35 Abs. 1 InsO umfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Insolvenzverfahrens erlangt. Dies gilt auch für Pflichtteilsansprüche, die ungeachtet § 852 ZPO in vollem Umfang zur Insolvenzmasse gehören, wenn der Erbfall vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO) eintrat (BGH ZIP 2011, 135 Rn 8). Der Erbfall trat vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens ein. Nachdem der Schuldner den Pflichtteilsanspruch gegen seine Mutter gerichtlich geltend machte, war er mit Rechtshängigkeit der Pfändung unterworfen (§ 852 Abs. 1 ZPO).

Kein unpfändbarer Betrag aus dem Pflichtteil

Dem Schuldner ist aus dem Pflichtteilsanspruch kein unpfändbarer Betrag gemäß § 850i ZPO zur Verfügung zu stellen. Danach hat das Gericht dem Schuldner auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums aus nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder aus sonstigen Einkünften, die kein Arbeitseinkommen sind, so viel zu belassen, wie ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Diese Voraussetzungen für eine Unpfändbarkeit sonstiger Einkünfte nach § 850i Abs. 1 Satz 1 Fall 2 ZPO sind nicht erfüllt.

Wer genug hat, bekommt nicht mehr

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