Bescheinigung statt Schuldnerbesuch

Wird der Gerichtsvollzieher mit der Sachpfändung nach § 802a Abs. 2 Nr. 4 ZPO beauftragt, muss der Gläubiger nicht selten feststellen, dass der Gerichtsvollzieher den Schuldner nicht aufsucht, sondern dem Gläubiger eine Fruchtlosigkeits- bzw. Unpfändbarkeitsbescheinigung übersendet. Grundlage dieser Verfahrensweise ist § 32 der aktuellen Gerichtsvollziehergeschäftsanweisungen (GVGA), in dem die frühere Regelung in § 63 GVGA aufgegangen ist.

 

Im Wortlaut: § 32 Abs. 1 GVGA

Wurde der Gerichtsvollzieher mit einer Pfändung beauftragt (§ 803 ZPO) und hat er begründeten Anhalt dafür, dass die Zwangsvollstreckung fruchtlos verlaufen werde, so sendet er dem Gläubiger unverzüglich den Schuldtitel mit einer entsprechenden Bescheinigung zurück, wenn der Gläubiger nicht zugleich weitere Aufträge erteilt hat. Dabei teilt er dem Gläubiger mit, dass er den Auftrag zur Vermeidung unnötiger Kosten als zurückgenommen betrachtet. Der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Rücknahme bestimmt sich nach § 3 Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsvollzieherkostengesetzes (GvKostG). Die Erwartung, dass die Vollstreckung fruchtlos verlaufen werde, kann insbesondere begründet sein, wenn ein Pfändungsversuch gegen den Schuldner in den letzten drei Monaten fruchtlos verlaufen ist oder der Schuldner in den letzten drei Monaten die Vermögensauskunft abgegeben hat und sich daraus keine Anhaltspunkte ergeben, dass er über pfändbare Gegenstände verfügt.

GV dehnen den Zeitraum häufig aus

In der Praxis wird der Zeitraum, in dem vermutet wird, dass der Schuldner nicht zu neuem Vermögen gekommen ist, von den Gerichtsvollziehern nicht selten bis zu sechs Monaten ausgedehnt. Nach der Formulierung von § 32 Abs. 1 GVGA liegt dies im Ermessen des Gerichtsvollziehers aufgrund der ihm vermeintlich bekannten Schuldnersituation. Das entspricht aber nicht immer den Realitäten. Die moderne Sozialgesetzgebung (Hartz IV) verlangt von dem Schuldner vermehrte Anstrengungen hin zur Verbesserung seiner Einkommenssituation, die in der Praxis zu früheren und häufigeren Wechseln in der wirtschaftlichen Situation des Schuldners führen. Stattdessen argumentieren Gerichtsvollzieher nicht selten mit Erfahrungen, die mehr als 10 oder 15 Jahre alt sind.

Nachteil I: kein Voll­streckungsdruck

Der erste Nachteil dieser Verfahrensweise liegt darin, dass der Schuldner keine Kenntnis von dem Vollstreckungsauftrag erhält und insoweit auch keinen Vollstreckungsdruck verspürt, der ihn veranlassen könnte, mit dem Gläubiger eine gütliche Einigung zu suchen.

 

Hinweis

Wer sich mit der Forderungsbeitreibung beschäftigt, erlebt tagtäglich, dass auch Schuldner, die über keine pfändbare Habe und kein pfändbares Arbeitseinkommen verfügen, kleine Beträge zwischen 10 und 30 EUR monatlich zahlen, um ihre Schulden sukzessive zu tilgen. Mit Unterstützung Dritter kommen auch höhere Teilleistungen in Betracht.

Nachteil II: keine gütliche Erledigung

So wie der (zulässige) Vollstreckungsdruck durch den tatsächlichen Sachpfändungsversuch den Schuldner motivieren kann, kann das Aufsuchen des Schuldners durch den Gerichtsvollzieher dazu führen, dass sich Ansätze für eine gütliche Erledigung nach § 802b ZPO ergeben.

 

Hinweis

Dabei ist einerseits zu sehen, dass der Schuldner sehr wohl berechtigt ist, auch Beiträge aus seinem unpfändbaren Vermögen zu leisten, um seine Schulden zu tilgen oder jedenfalls nicht weiter anwachsen zu lassen (Zinsen). Insbesondere Schuldner, die auf eine baldige Besserung ihrer Einkommenssituation hoffen, können hier besonders motiviert sein. Auch sollte der Gerichtsvollzieher den Schuldner aktiv ansprechen, ob er die Möglichkeiten zur Optimierung seiner Einkommenssituation, etwa durch die Inanspruchnahme von Wohngeld oder anderen öffentlichen Leistungen, hat. Nicht selten verkennt der Gerichtsvollzieher, dass die Unterlassung die Situation des Schuldners nur verschärft und die Forderung durch Zinsen und Kosten anwachsen lässt.

Nachteil III: Infor­mationsermittlung

Nur wenn der Gerichtsvollzieher den Schuldner aufsucht, kann auch § 806a ZPO zum Tragen kommen. Erhält der Gerichtsvollzieher anlässlich der Zwangsvollstreckung durch Befragung des Schuldners oder durch Einsicht in Dokumente Kenntnis von Geldforderungen des Schuldners gegen Dritte und konnte eine Pfändung nicht bewirkt werden oder wird eine bewirkte Pfändung voraussichtlich nicht zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers führen, so teilt er nach § 806a ZPO Namen und Anschriften der Drittschuldner sowie den Grund der Forderungen und für diese bestehende Sicherheiten dem Gläubiger mit. Trifft der Gerichtsvollzieher den Schuldner in der Wohnung nicht an, so kann der Gerichtsvollzieher nach § 806a Abs. 2 ZPO auch die zum Hausstand des Schuldners gehörenden erwachsenen Personen nach dem Arbeitgeber des Schuldners befragen. Auch wenn keine Auskunftspflicht besteht, verweigert nicht jede der genannten Personen die Auskunft. Solche Gelegenheiten ergeben sich aber nur, wenn der Gerichtsvollzieher den Schuldner auch aufsucht.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge