Leitsatz

Das über das Internet zugängliche Registerportal der Länder "handelsregister.de" als Informationsmöglichkeit ersetzt nicht den für die Erteilung einer Vollstreckungsklausel als Rechtsnachfolger notwendigen Nachweis der Rechtsnachfolge durch Vorlage einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde. Eine im Register eingetragene Tatsache ist nicht offenkundig.

OLG Naumburg, 14.12.2011 – 10 W 74/11

1 I. Der Fall

Der Wunsch: ­Rechtsnachfolgeklausel

Die GL hat beantragt, ihr die Vollstreckungsklausel für ein von vormaligen GL gegen den SU erstrittenes VU als Rechtsnachfolgerin der Titelgläubigerin zu erteilen. Die Titelgläubigerin habe im Wege der Verschmelzung ihr Vermögen als Ganzes auf sie übertragen. Dazu hat sie unbeglaubigte Handelsregisterauszüge für beide Gesellschaften vorgelegt.

Unbeglaubigte HR-Auszüge und Verweis auf unternehmensregister.de als Nachweis

Die Rechtspflegerin beim LG hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, der Nachweis der Rechtsnachfolge sei nicht in der gebotenen Form durch Vorlage einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde erfolgt. Die Rechtsnachfolge sei auch nicht offenkundig. Hieran fehle es, wenn das Gericht sich erst durch Einsichtnahme in ein bei einem anderen Gericht geführten Register informieren müsse. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des GL mit der Begründung, des Nachweises der Rechtsnachfolge bedürfe es nicht, da diese offenkundig sei. Das über das Internet zugängliche Registerportal der Länder "handelsregister.de" sei als allgemein zugängliche und zuverlässige Quelle anzusehen.

2 II. Die Entscheidung

Erforderlich: öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde …

Wie auch die GL sieht, bedarf es im Rahmen des Klauselerteilungsverfahrens gem. §§ 727, 729 ZPO grundsätzlich des Nachweises der die Rechtsnachfolge begründenden tatsächlichen Umstände durch die Vorlage einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde.

oder ein Geständnis …

Anders wäre es nur, wenn der Beschwerdegegner die die Rechtsnachfolge begründenden Tatsachen entweder ausdrücklich zugestanden hätte oder diese bei Gericht offenkundig wären (Zöller-Stöber, ZPO, Rn 20 zu § 727 ZPO). Ersteres ist in tatsächlicher Hinsicht nicht der Fall, denn der SU hat im Anhörungsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

… oder Offenkundigkeit

Letzteres ist auch nicht der Fall. Offenkundig wären die für die Rechtsnachfolge maßgeblichen Tatsachen nur, wenn sie zumindest am Gerichtsort einer beliebig großen Menge von Personen bekannt oder ohne besondere Fachkunde wahrnehmbar gewesen wären (vgl. ­Zöller-Greger, Rn 1 zu § 291 ZPO, Musielak-Huber, Rn 1 zu § 291 ZPO).

OLG verneint alle drei Voraussetzungen

Das ist nicht schon deshalb der Fall, weil es dem Gericht oder sonst einem Rechtskundigen möglich wäre, anhand der von der GL vorgelegten unbeglaubigten Kopie eines Handelsregisterauszugs eine Internetrecherche über das Registerportal "handelsregister.de" zu starten und dort nach zusätzlicher Mitteilung auch des Veröffentlichungsdatums kostenfrei in der Rubrik "VÖ" Einsicht in eine Veröffentlichung des Handelsregisters bei dem AG München zu nehmen, aus der sich ergibt, dass die Verschmelzung in der vorgetragenen Weise erfolgt sei. Eine solche Recherche mag dem Gericht unter Verwendung der von der GL zur Verfügung gestellten Informationen tatsächlich durchführbar sein; auch der von der Beschwerdeführerin zitierte Veröffentlichungstext mag kostenfrei zugänglich sein. Sie ist aber nur mit besonderer Fachkunde (Bedeutung der Abkürzung "HRB", Kenntnis von der Zuständigkeit des AG München und Funktionsweise des genannten Internetportals im Übrigen) möglich, so dass es sich gerade nicht um eine der Allgemeinheit ohne besondere Fachkunde zugängliche Quelle handelt. Es handelt sich aufgrund dieser Recherchemöglichkeit bei dem Umstand der Verschmelzung auch nicht um eine sog. gerichtskundige Tatsache. Als solche kommen nur bei dem Gericht positiv bekannte, nicht aber erst durch Recherchen in auswärtigen Registern zu verifizierende Tatsachen in Betracht (vgl. MüKo-Prütting, Rn 9 zu § 291 ZPO, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Rn 5 zu § 291 ZPO).

3 III. Der Praxistipp

Fortbildung tut not!

Die Entscheidung offenbart erschreckende Defizite bei der Justiz. Die Internetplattform www.unternehmensregister.de bzw. www.handelsregister.de wird vom Bundesanzeiger im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz betrieben. Alle Bundesländer speisen ihre Registerinformationen hier aufgrund landesrechtlicher Verordnungen ein. Es handelt sich mithin um eine Einrichtung der Justiz! Dass die Justiz sich nun weigert, dieses Jedermannn-Register zur Anwendung zu bringen, wirft die Frage auf, warum es überhaupt unterhalten wird. Die auf Schnelligkeit angelegte Zwangsvollstreckung, § 804 Abs. 3 ZPO, wird so ausgebremst. In Zeiten eines immer wieder betonten Einstiegs in den elektronischen Rechtsverkehr fällt es schwer, eine solche Entscheidung nicht als Skandal anzusehen. Den beteiligten Rechtspflegern und Richtern muss jedenfalls eines nachhaltig angeraten werden: Fortbildung tut dringe...

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