Das Einkommen kann aus vielen Bestandteilen bestehen

Nicht immer wird das Arbeitseinkommen vom Arbeitgeber nur in Geld entrichtet und nicht immer hat ein Schuldner lediglich ein Arbeitseinkommen. Vielmehr kann sich der Gläubiger der Situation gegenüber sehen, dass der Schuldner neben seinem Arbeitseinkommen in Geld noch Naturalleistungen des Arbeitgebers wie einen Dienstwagen, ein Handy, Kost oder Logis erhält, die dann auch privat genutzt werden. In gleicher Weise gehen manche Schuldner auch mehr als nur einer Erwerbstätigkeit nach und haben eine Haupt- und eine geringfügige Nebentätigkeit oder zwei oder mehr Teilzeitjobs. Werden die Einkommen jeweils für sich isoliert betrachtet, liegen sie jeweils unterhalb der Pfändungsfreigrenze. Ein pfändbarer Betrag ergibt sich dann nicht.

Hier sind Sie gefragt!

Mit einem Antrag nach § 850e ZPO kann der Gläubiger dem entgegenwirken. Der Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO soll dem Schuldner seine wirtschaftliche und soziale Existenz sichern und zugleich ein gewisses Maß an Arbeitsmotivation bieten. Es ist deshalb gerechtfertigt, dem Pfändungsfreibetrag das Arbeitseinkommen in seiner Gesamtheit gegenüberzustellen. Diese Funktion übernimmt § 850e ZPO. Danach werden verschiedene Bestandteile des Einkommens auf Antrag des Gläubigers zusammengerechnet. Der Freibetrag wird nach § 850e Nr. 2 S. 2 ZPO in erster Linie dem Einkommen entnommen, das die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Schuldners bildet.

 

Hinweis

Dabei wird zugleich das praktische Problem gelöst, wer den pfändbaren Betrag tatsächlich berechnet und den Überschuss auszahlt. Damit ist zugleich gesagt, dass alle anderen Drittschuldner diesem Arbeitgeber den von ihnen errechneten und ausgezahlten Nettolohn mitteilen müssen. Der damit verbundene Aufwand kann es für den Arbeitgeber attraktiv erscheinen lassen, dem SU ein Arbeitgeberdarlehn zu gewähren, das der SU dann monatlich abträgt. Hierauf sollte man den Arbeitgeber aktiv ansprechen.

Nur wer einen Antrag stellt, profitiert!

Der Antrag nach § 850e ZPO ist nicht für den erstrangigen Gläubiger attraktiv, sondern in besonderer Weise für nachrangige Gläubiger. Der Zusammenrechnungsbeschluss wirkt nämlich nur für den Gläubiger, der die Zusammenrechnung auch beantragt hat (BAG NJW 97, 479; Zöller-Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 850e Rn 11). Gibt sich also der erstrangige Gläubiger mit der negativen Drittschuldnerauskunft zufrieden und stellt keine weiteren Ermittlungen an, während der nachrangige Gläubiger sich rühriger und dabei erfolgreicher zeigt, profitiert nur dieser.

Antrag kann jederzeit gestellt werden

Der Antrag auf die Zusammenrechnung verschiedener Einkommen kann sowohl unmittelbar mit der Beantragung des PfÜB als auch jederzeit nachträglich gestellt werden. Die gemeinsame Antragstellung mit dem PfÜB hat den Vorteil, dass der Schuldner nach § 834 ZPO zunächst nicht angehört wird und deshalb auch keine unmittelbare Gegenstrategie ergreifen kann. Insbesondere ist er also nicht in der Lage, einzelne Einkommensbestandteile abzutreten oder vorzeitig eine der Tätigkeiten aufzugeben. In der Praxis werden sich die notwendigen Erkenntnisse häufig aber erst nach der Pfändung eines Arbeitseinkommens durch weitere Maßnahmen zeigen. Dann ist ein isolierter Zusammenrechnungsantrag zu stellen, wie er nachfolgend dokumentiert wird. In diesem Verfahren wird der Schuldner angehört.

Auf das Informa­tionsmanagement kommt es an

Entscheidend kommt es darauf an, dass der Gläubiger in Erfahrung bringt, ob der Schuldner über mehrere Arbeitseinkommen verfügt. Neben den Angaben im Vermögensverzeichnis kann der Gläubiger den Schuldner hierzu auch nach § 836 Abs. 3 ZPO befragen, nachdem er ein Arbeitseinkommen gepfändet hat. Auch kann der Gerichtsvollzieher gebeten werden, den Schuldner nach § 806a ZPO entsprechend zu befragen. Eine weitere Option hat nun der BGH eröffnet, indem er den Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger seine Kontoauszüge nach erfolgter Kontopfändung zur Verfügung zu stellen. Mehrere Arbeitseinkommen sowie ergänzende Einnahmen aus Sozialleistungen können auch hier erkennbar werden. Dies setzt voraus, dass der Gläubiger auch bei der Kontopfändung konsequent nach § 836 Abs. 3 ZPO vorgeht und die Kontoauszüge herausverlangt (siehe hierzu FoVo 2012, 64, 69, 73 und 86).

 

Hinweis

Mit der Reform der Sachaufklärung bieten sich dem Gläubiger noch weiter gehende Möglichkeiten. Nach § 802l ZPO kann dann nämlich der GV beauftragt werden, bei den Trägern der Rentenversicherung den Arbeitgeber des SU zu ermitteln. Dies betrifft allerdings nur sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse.

 

Muster: Antrag auf Zusammenrechnung nach § 850e Nr. 2 ZPO

An das Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – in …

In der Zwangsvollstreckungssache

Gläubiger ./. Schuldner

an der weiter beteiligt ist:

Drittschuldner zu 1),

Drittschuldner zu 2)

beantragen wir im Namen und in Vollmacht des Gläubigers:

1. Zur Berechnung des nach § 850c ZPO pfändbaren Teils der Gesamteinkünfte des Schuldners sind seine Nettoeinkommen aus...

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