Leitsatz

1. Noch nicht auf einem geeigneten Datenträger verkörperte Daten können nicht Gegenstand einer Herausgabevollstreckung nach § 883 Abs. 1 ZPO sein.

2. Die Unterstützung des Gerichtsvollziehers (GV) durch einen von ihm auf Kosten des Schuldners beauftragten Sachverständigen kann bei Herausgabetiteln zulässig und geboten sein, wenn andernfalls die Vollstreckung unmöglich ist oder unzumutbar erschwert wird. Das kann bei der Herausgabevollstreckung einer größeren Zahl von Gegenständen der Fall sein, bei der keine Einigkeit zwischen Gläubiger und Schuldner über die herauszugebenden Gegenstände besteht.

3. Wird ein Vollstreckungsauftrag durch eine dem GV unverständliche fremdsprachige Unterlage konkretisiert, hat er dem Gläubiger Gelegenheit zu geben, innerhalb angemessener Frist eine Übersetzung beizubringen. Geht die Übersetzung nicht fristgemäß ein, kann sie der GV auf Kosten des Gläubigers selbst anfertigen lassen, wenn der Gläubiger den Vollstreckungsauftrag nicht zuvor zurückgenommen hat. Darauf ist der Gläubiger mit der Aufforderung zur Übersetzung hinzuweisen.

BGH, Beschl. v. 21.9.2017 – I ZB 8/17

1 I. Der Fall

Herausgabe von Projektunterlagen

Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin aus einem Urteil die Zwangsvollstreckung auf Herausgabe von Unterlagen für das Projekt "Errichtung und Betrieb der … Anlage …/Nigeria". Der maßgebliche Tenor dieses Urteils lautet:

Was konkret herauszugeben ist

"Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin sämtliche Unterlagen bestehend aus allen technischen Zeichnungen, Berechnungen, Buchhaltungsunterlagen von Rechnungszertifikaten, Rechnungszertifikate, Bestellungen, Montage- und Betriebsanleitungen, Ersatzteilspezifikationen, Budgets für alle Anlagenteile, insbesondere Berechnungen zur Dimensionierung der Anlagenteile, alle Zeichnungen und Skizzen und zwar Gesamtübersichten und detaillierte Ausführungszeichnungen inklusive aller Stücklisten und Materialspezifikationen auch für Elektroausrüstungen, insbesondere Stromlaufpläne, Steuerungs- und Installationspläne, Betriebs- und Wartungsanweisungen, alle behördlichen Genehmigungsprotokolle und Erlaubnisse zum Bau der Anlage, alle Schulungsprogramme für das Betriebspersonal, alle verfahrenstechnischen Unterlagen bezüglich der Aufbereitung der Rohmaterialien, Berechnungen der Dimensionierungen und alle Verfahrensschemen sowie alle Laborergebnisse des Aufbereitungsbetriebs, der Abnahmeversuche mit entsprechenden Protokollen sowie Inbetriebnahme- und Übergabezertifikate für fertiggestellte Anlagen und Teile nicht fertiggestellter Anlagen, gleichgültig ob in schriftlicher oder EDV-mäßiger Form, einschließlich des gesamten Know-hows das … (Nigeria) … -Projekt betreffend, wie sie in der Anlage K 8 aufgeführt sind, herauszugeben."

Konkretisierung durch Anlagen

Die Anlage K 8 besteht aus einer insgesamt 34 Seiten umfassenden Liste in englischer Sprache, die für jeden herauszugebenden Gegenstand eine Zeile mit neun Spalten enthält.

Jetzt war der GV gefragt, verweigert sich aber

Die Gläubigerin beauftragte den zuständigen GV mit der Herausgabevollstreckung hinsichtlich der geschuldeten Unterlagen. Der Gerichtsvollzieher begab sich zum Geschäftsbetrieb der Schuldnerin, lehnte jedoch dann die Zwangsvollstreckung ab und wies den Auftrag auf Wegnahme kostenpflichtig zurück, weil in dem Titel die herauszugebenden Gegenstände für das Vollstreckungsorgan nicht hinreichend bestimmt bezeichnet seien. Auch sei es unmöglich, Unterlagen in EDV-mäßiger Form zu identifizieren. Die Gläubigerin gehe selbst davon aus, dass zur Identifizierung dieser Unterlagen fachkundiges Personal zur Verfügung stehen müsse. Entscheide die Gläubigerin, welche Unterlagen herauszugeben seien, seien Probleme zu erwarten. Dafür fehle auch eine gesetzliche Grundlage. Der GV müsse als Vollstreckungsorgan die Unterlagen identifizieren können und nicht die Gläubigerin. Die Anlage K 8 sei zur Bestimmung der Unterlagen nicht hilfreich. Sie sei in englischer Sprache verfasst und deshalb für den GV nicht hinreichend lesbar. Ferner seien die Unterlagen dort nicht so bezeichnet, dass sie den bei der Schuldnerin vorhandenen Unterlagen (weit über 50 Metallkisten mit einem Umfang von mindestens 20 Kubikmetern) zugeordnet werden könnten.

Beschwerde erfolgreich und mit klaren Aufgaben für den GV

Das Amtsgericht hat die Erinnerung der Gläubigerin zurückgewiesen, während die sofortige Beschwerde zu der Anweisung führte, den Zwangsvollstreckungsauftrag nicht aus den genannten Gründen abzulehnen. Grundlage der Vollstreckung sollten nicht die allgemeinen Bezeichnungen herauszugebender Unterlagen im Tenor des Urteils sein, sondern die in der Anlage K 8 aufgeführten Gegenstände. Es könne nicht generell festgestellt werden, dass diese Gegenstände durch die Anlage K 8 nicht hinreichend bestimmt seien. So seien den in der Anlage genannten Fotos, Dokumentationen und Zeichnungen konkrete Metallkisten als Fundorte zugeordnet. Allerdings seien unstreitig fachspezifische Kenntnisse zur Identifizierung der Gegenstände anhand...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge