Herausgabe von Projektunterlagen

Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin aus einem Urteil die Zwangsvollstreckung auf Herausgabe von Unterlagen für das Projekt "Errichtung und Betrieb der … Anlage …/Nigeria". Der maßgebliche Tenor dieses Urteils lautet:

Was konkret herauszugeben ist

"Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin sämtliche Unterlagen bestehend aus allen technischen Zeichnungen, Berechnungen, Buchhaltungsunterlagen von Rechnungszertifikaten, Rechnungszertifikate, Bestellungen, Montage- und Betriebsanleitungen, Ersatzteilspezifikationen, Budgets für alle Anlagenteile, insbesondere Berechnungen zur Dimensionierung der Anlagenteile, alle Zeichnungen und Skizzen und zwar Gesamtübersichten und detaillierte Ausführungszeichnungen inklusive aller Stücklisten und Materialspezifikationen auch für Elektroausrüstungen, insbesondere Stromlaufpläne, Steuerungs- und Installationspläne, Betriebs- und Wartungsanweisungen, alle behördlichen Genehmigungsprotokolle und Erlaubnisse zum Bau der Anlage, alle Schulungsprogramme für das Betriebspersonal, alle verfahrenstechnischen Unterlagen bezüglich der Aufbereitung der Rohmaterialien, Berechnungen der Dimensionierungen und alle Verfahrensschemen sowie alle Laborergebnisse des Aufbereitungsbetriebs, der Abnahmeversuche mit entsprechenden Protokollen sowie Inbetriebnahme- und Übergabezertifikate für fertiggestellte Anlagen und Teile nicht fertiggestellter Anlagen, gleichgültig ob in schriftlicher oder EDV-mäßiger Form, einschließlich des gesamten Know-hows das … (Nigeria) … -Projekt betreffend, wie sie in der Anlage K 8 aufgeführt sind, herauszugeben."

Konkretisierung durch Anlagen

Die Anlage K 8 besteht aus einer insgesamt 34 Seiten umfassenden Liste in englischer Sprache, die für jeden herauszugebenden Gegenstand eine Zeile mit neun Spalten enthält.

Jetzt war der GV gefragt, verweigert sich aber

Die Gläubigerin beauftragte den zuständigen GV mit der Herausgabevollstreckung hinsichtlich der geschuldeten Unterlagen. Der Gerichtsvollzieher begab sich zum Geschäftsbetrieb der Schuldnerin, lehnte jedoch dann die Zwangsvollstreckung ab und wies den Auftrag auf Wegnahme kostenpflichtig zurück, weil in dem Titel die herauszugebenden Gegenstände für das Vollstreckungsorgan nicht hinreichend bestimmt bezeichnet seien. Auch sei es unmöglich, Unterlagen in EDV-mäßiger Form zu identifizieren. Die Gläubigerin gehe selbst davon aus, dass zur Identifizierung dieser Unterlagen fachkundiges Personal zur Verfügung stehen müsse. Entscheide die Gläubigerin, welche Unterlagen herauszugeben seien, seien Probleme zu erwarten. Dafür fehle auch eine gesetzliche Grundlage. Der GV müsse als Vollstreckungsorgan die Unterlagen identifizieren können und nicht die Gläubigerin. Die Anlage K 8 sei zur Bestimmung der Unterlagen nicht hilfreich. Sie sei in englischer Sprache verfasst und deshalb für den GV nicht hinreichend lesbar. Ferner seien die Unterlagen dort nicht so bezeichnet, dass sie den bei der Schuldnerin vorhandenen Unterlagen (weit über 50 Metallkisten mit einem Umfang von mindestens 20 Kubikmetern) zugeordnet werden könnten.

Beschwerde erfolgreich und mit klaren Aufgaben für den GV

Das Amtsgericht hat die Erinnerung der Gläubigerin zurückgewiesen, während die sofortige Beschwerde zu der Anweisung führte, den Zwangsvollstreckungsauftrag nicht aus den genannten Gründen abzulehnen. Grundlage der Vollstreckung sollten nicht die allgemeinen Bezeichnungen herauszugebender Unterlagen im Tenor des Urteils sein, sondern die in der Anlage K 8 aufgeführten Gegenstände. Es könne nicht generell festgestellt werden, dass diese Gegenstände durch die Anlage K 8 nicht hinreichend bestimmt seien. So seien den in der Anlage genannten Fotos, Dokumentationen und Zeichnungen konkrete Metallkisten als Fundorte zugeordnet. Allerdings seien unstreitig fachspezifische Kenntnisse zur Identifizierung der Gegenstände anhand der Liste K 8 erforderlich. Es sei daher gegenwärtig offen, ob eine Identifizierung gelingen werde. Sofern der GV entsprechende Zweifel habe, habe er jedoch den Auftrag zunächst zu übernehmen und vor Ort zu klären, ob eine hinreichende Bestimmung des Vollstreckungsobjekts möglich sei. Dazu genüge nicht, die Örtlichkeit aufzusuchen und festzustellen, dass eine große Anzahl von Kisten mit Unterlagen vorhanden sei. Vielmehr müssten die Kisten nach den wegzunehmenden Unterlagen durchsucht werden. Da zur Identifizierung der herauszugebenden Gegenstände im vorliegenden Fall Spezialkenntnisse erforderlich seien, habe sich der Gerichtsvollzieher einer fachkundigen Person zu bedienen. Dem Gesetz sei die Pflicht des GV zur Heranziehung eines Sachverständigen bei Sachverhalten, deren Beurteilung man von einem GV nicht erwarten könne, nicht fremd. Die durch den Sachverständigen verursachten notwendigen Kosten fielen als Kosten der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zur Last. Da im vorliegenden Fall nicht fernliege, dass die Experten der Gläubigerin und der Schuldnerin über die herauszugebenden Unterlagen in...

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