Leitsatz

Bei der Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 890 Abs. 1 ZPO sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zuwiderhandelnden zu berücksichtigen.

BGH, Beschl. v. 8.12.2016 – I ZB 118/15

1 I. Der Fall

Unterlassungsverfügung

Der Gläubiger ist Polizeibeamter. Er war bei einer "Dügida"-Demonstration in Düsseldorf als Unterabschnittsleiter eingesetzt. Die Schuldnerin war Organisatorin der "Dügida". Sie hat im unmittelbaren Anschluss an die Demonstration ein den Gläubiger zeigendes Video auf der Facebookseite von "Dügida" im Internet eingestellt, in dessen Begleittext sie den namentlich genannten Gläubiger der "Stasi-Methoden" bezichtigte. In der anschließenden Versammlung hat sie auf diese Aufnahme hingewiesen und die Zuhörer zum Teilen des Videos aufgefordert. Das LG hat der Schuldnerin auf Antrag des Gläubigers im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, die Videoaufnahme des Gläubigers zu verbreiten oder öffentlich zur Schau zu stellen, insbesondere wie auf der (näher bezeichneten) Facebookseite von "Dügida" geschehen, oder auf dieser Internetseite den Namen des Gläubigers und seine berufliche Funktion zu benennen und zu behaupten, er habe mehrfach am Rande der "Dügida"-Demonstration so getan, als sei er normaler Demonstrant, und dann hinterrücks Beteiligte angesprochen, um an Informationen zu kommen, das seien "Stasi-Methoden". Die Verfügung wurde vollzogen.

Die Schuldnerin hat keine Folge geleistet

Der Gläubiger hat die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Schuldnerin beantragt, weil die Videoaufnahme und deren Begleittext immer noch über die fragliche Internetseite abrufbar waren. Das LG hat gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld von 4.000 EUR festgesetzt sowie ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 1.000 EUR einen Tag Ordnungshaft. Dagegen hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie sich auch gegen die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes gewandt hat. Dazu hat sie vorgetragen, sie sei arbeitslos und könne kaum ihren Lebensunterhalt bestreiten. Das OLG hat den Beschluss des LG unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert, das Ordnungsgeld auf 750 EUR ermäßigt und es bei den vom LG festgesetzten vier Tagen Ersatzordnungshaft belassen. Hiergegen wendet sich der Gläubiger.

2 II. Aus der Entscheidung/Der Praxistipp

Achtung: Ist der Gläubiger überhaupt beschwert?

Der Gläubiger hatte in seinem Vollstreckungsantrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes weder einen konkreten Betrag noch eine ungefähre Größenordnung des Ordnungsgeldes genannt. Das warf die Frage auf, ob er bei der Festsetzung eines wie auch immer gearteten Ordnungsgeldes beschwert sein könne. Für den BGH kein Hindernis: Die Beschwer ergebe sich bereits daraus, dass der Beschluss des OLG durch die Ermäßigung des Ordnungsgeldes für den Gläubiger nachteilig vom Beschluss des LG abweiche.

 

Hinweis

Die Situation kann sich also anders darstellen, wenn der Gläubiger keine Angaben macht, das Prozessgericht von seinem Ermessen Gebrauch macht und der Gläubiger dann Beschwerde einlegt, weil er das festgesetzte Ordnungsgeld für zu gering hält. Hier kann die Beschwer fehlen. Der Gläubiger muss also die Eröffnung des Beschwerdeweges gegen die Gefahr abwägen, einen Teil der Kosten tragen zu müssen, weil das Prozessgericht hinter der mitgeteilten Größenordnung zurückbleibt (vgl. hierzu OLG Düsseldorf VuR 2015, 71, 72 m.w.N.; BGH NJW 2015, 1829 = FoVo 2015, 168).

Ermessensentscheidung des Beschwerdegerichts war fehlerfrei

Das OLG hat das gegen die Schuldnerin festgesetzte Ordnungsgeld nach Ansicht des BGH ohne Rechtsfehler auf 750 EUR ermäßigt und es bei der festgesetzten Ersatzordnungshaft von vier Tagen belassen. Dabei stand der Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung dadurch, dass das Video von der Internetseite nicht beseitigt wurde, nicht ernsthaft in Streit.

 

Hinweis

Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst (BGH GRUR 2016, 720 m.w.N.; zum Vorliegen abweichender Anhaltspunkte vgl. etwa BGH GRUR 2015, 190). So verhält es sich, wenn die Nichtbeseitigung des Verletzungszustands gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung ist.

Zustellung und Verschulden

Zu befolgen ist eine Unterlassungsverfügung ab dem Zeitpunkt der Zustellung nach § 922 Abs. 2 ZPO (BGH GRUR 2015, 196). § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO setzt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal weiter ein Verschulden des Schuldners voraus (vgl. BVerfGE 58, 159; BVerfG NJW-RR 2007, 860). An beiden Voraussetzungen war nicht zu zweifeln.

Kern der Entscheidung des BGH war die Frage, nach welchen Kriterien die Höhe des Ordnungsgeldes zu bestimmen ist. Bei der Wahl und Bemessung der Ordnungsmittel steht dem Gericht ein Ermessen zu, das nur auf Ermessensf...

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