Leitsatz

Besitzt der Schuldner keinen Gerichtsstand im Inland, besteht eine Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts bei einer Vollstreckung in eine Guthabenforderung einer Bank nicht am Sitz der Niederlassung, sondern alleine am Sitz des Drittschuldners.

LG Frankfurt, Beschl. v. 7.3.2016 – 9 T 85/16

1 I. Der Fall im Überblick

PfÜB bei internationalen Beziehungen

Die Gläubigerin vollstreckt im Wege der Forderungspfändung gegen die außerhalb der EU beheimatete Schuldnerin in eine Forderung gegen die in London ansässige Drittschuldnerin, die jedoch in Frankfurt eine Niederlassung unterhält.

Schuldnerin rügt örtliche Zuständigkeit

Die Schuldnerin greift den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) mit der Rüge der fehlenden örtlichen Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichtes an. Sie meint, die örtliche Zuständigkeit nach § 828 Abs. 2 Alt. 1 ZPO sei nicht gegeben, da die Schuldnerin im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand habe. Die Voraussetzungen des § 828 Abs. 2 Alt. 2 ZPO i.V.m. § 23 S. 2 ZPO lägen nicht vor, weil die gepfändete angebliche Forderung am Sitz des Drittschuldners – hier in London – belegen sei.

 

Hinweis

Da die Schuldnerin vor Erlass des PfÜB nach § 834 ZPO nicht gehört wird, liegt eine Vollstreckungsmaßnahme und keine Vollstreckungsentscheidung vor, so dass die Erinnerung nach § 766 ZPO das statthafte Rechtsmittel ist. Gegenüber der sofortigen Beschwerde hat sie den Vorteil für den Schuldner, dass sie nicht befristet ist.

2 II. Aus der Entscheidung/Der Praxistipp

Das LG Frankfurt hält die sofortige Beschwerde des Gläubigers für unbegründet, nachdem der Rechtspfleger beim AG der Erinnerung des Schuldners abgeholfen und den PfÜB aufgehoben hat.

 

Vorsicht!

Während für den Schuldner die Erinnerung gegeben ist, kommt der Gläubiger mit einem Rechtsmittel nur dann in Berührung, wenn beide Vollstreckungsparteien angehört wurden oder aber sein Antrag auf Erlass des PfÜB – wie hier im Abhilfeverfahren – abgelehnt wird. In diesen Fällen liegt eine Vollstreckungsentscheidung vor, so dass der Gläubiger die sofortige Beschwerde erheben muss. Hierfür ist eine Notfrist von zwei Wochen zu beachten.

Entscheidend: Wo ist das Vermögen?

Die Schuldnerin besitzt keinen inländischen allgemeinen Gerichtsstand. Damit richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach §§ 828 Abs. 2, 23 Satz 2 ZPO. Entscheidend ist danach, wo sich das Vermögen der Schuldnerin befindet. Das ist dort, wo der Drittschuldner seinen Sitz hat.

 

Hinweis

Bei einem Schuldner, der – anders als hier – in einem EU-Mitgliedsstaat seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, findet nach der EuGVVO § 23 ZPO keine Anwendung. Vielmehr ist an dessen Wohnsitz vorzugehen.

Maßgeblich ist der Sitz des Drittschuldners

Dies gilt auch für bewegliches Vermögen, mithin auch für Forderungen aus Guthaben, die ein Vollstreckungsschuldner im Inland bei hier tätigen Banken unterhält (vgl. BVerfG NJW 1983, 2766; OLG Saarbrücken IPRax 2001, 456). § 828 Abs. 2 ZPO ist die Grundlage der deutschen internationalen Zuständigkeit für die gerichtliche Zwangsvollstreckung in Forderungen. Der Vorschrift ist auch zu entnehmen, ob das inländische Vollstreckungsgericht international zuständig ist, eine Forderungspfändung durchzuführen. Denn sie enthält in § 828 Abs. 2, 2. Alt. durch die Bezugnahme auf § 23 ZPO eine Zuständigkeitsregelung für den Fall, dass der Schuldner selbst keinen inländischen Wohnsitz hat, im Inland jedoch über Vermögen – hier: über eine (angebliche) Forderung gegen einen Dritten – verfügt.

Hauptsitz, nicht Niederlassung ist maßgeblich

Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist insoweit aber stets der Sitz des Drittschuldners gemäß § 23 Satz 2 ZPO. Hier ist der Sitz der Drittschuldnerin jedoch nicht im Bezirk des Vollstreckungsgerichtes. Eine solche Zuständigkeit kann auch nicht daraus folgen, dass die Drittschuldnerin im Gerichtsbezirk eine Niederlassung unterhält. Zwar würde sich ggf., wenn die Drittschuldnerin verklagt worden wäre, insoweit ein Gerichtsstand am Ort der Niederlassung ergeben, eine Anwendung des § 21 ZPO für Niederlassungen des Drittschuldners sieht § 23 ZPO indes nicht vor. Vielmehr sieht § 23 ZPO ausdrücklich vor, dass insoweit auf den (Wohn-)Sitz des Drittschuldners abzustellen ist.

Vollstreckung im Ausland erforderlich

Der Gläubigerin bleibt also nichts anderes, als die Vollstreckung im Ausland zu betreiben. Hierzu kann ein ausländischer Rechtsanwalt beauftragt werden. Kostengünstiger ist es meist, mit einem ausländischen Inkassounternehmen zu kooperieren. Kontakte vermittelt der Bundesverband Deutscher Inkassounternehmen e.V. in Berlin (www.bdiu.de).

FoVo 4/2017, S. 75 - 76

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