Leitsatz

Ein isolierter Auftrag zur Einholung von Drittauskünften ist jedenfalls dann möglich, wenn sich der Gläubiger auf eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis beruft, wonach der Schuldner seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Vermögensauskunft in anderer Sache nicht nachgekommen ist.

AG Heidelberg, 8.1.2016 – 1 M 71/15

1 I. Der Fall

Isolierter Antrag nach § 802l ZPO

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung und hat den Gerichtsvollzieher mit der Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO beauftragt. Grundlage des Auftrages war die Feststellung, dass der Schuldner nach den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis wiederholt die Abnahme der Vermögensauskunft durch andere Gläubiger verweigert hat.

GV verlangt eigenen VA-Antrag

Der Gerichtsvollzieher verweigert die Einholung der Drittauskünfte. Erforderlich sei ein vorheriger eigener Antrag der Gläubigerin auf Abgabe der Vermögensauskunft. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Schuldners werde anderenfalls verletzt, weil den Drittauskünften nicht durch Zahlung oder eigene Auskunft vorgebeugt werden könne. Hiergegen richtet sich die Erinnerung der Gläubigerin.

2 II. Aus der Entscheidung

GV hat kein Ermessen bei der Auskunftserhebung

Das AG folgt der Argumentation des Gerichtsvollziehers nicht und hat im Sinne des Leitsatzes entschieden. Dem Gerichtsvollzieher stehe bei der Einholung der Drittauskünfte kein Ermessen zu. Die Drittauskünfte seien alternativ einzuholen, wenn entweder der Schuldner die Vermögensauskunft nicht abgegeben habe oder eine vollständige Befriedigung eines Gläubigers bei einer Vollstreckung in die im Vermögensverzeichnis aufgeführten Vermögensgegenstände voraussichtlich nicht zu erwarten sei.

Alle Gründe für die Zulässigkeit der isolierten Antragstellung

Aus dem Gesetzeswortlaut ergebe sich nicht, dass eine isolierte Beauftragung, d.h. ohne eigene Abnahme der Vermögensauskunft, durch den antragstellenden Gläubiger nicht möglich sei. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm, aus ihrem systematischen Zusammenhang und aus ihrem Zweck ergebe sich die Zulässigkeit der isolierten Antragstellung. Nur so realisierten sich die Möglichkeiten der verstärkten Informationsbeschaffung für den Gläubiger, was dem Zweck der Reform der Sachaufklärung entspreche.

Der Gläubiger setzt Chancen und Risiken

Das AG hebt hervor, dass es Sache des Gläubigers ist einzuschätzen, durch welche Maßnahme bzw. welche Kombination und Reihenfolge von Maßnahmen er am schnellsten, vollständig und kostensparend zu seinem Ziel komme. Er sei es, der das Kostenrisiko für jede Maßnahme trage, wenn die Beitreibung letztendlich nicht zum Erfolg führt. Er müsse einen Kostenvorschuss nach § 4 Abs. 1 GvKostG leisten und sei letztlich auch Kostenschuldner gemäß § 13 Abs. 1 GvKostG.

Belange des SU nicht beeinträchtigt

Die Belange des Schuldners seien gewahrt. Insoweit sei der Vorrang der Vermögensauskunft postuliert, dem der Schuldner sich durch die Nichtabgabe der Vermögensauskunft aber selbst entzogen habe. Zu sehen sei auch, dass dem Schuldner auch bei anderen Vollstreckungsmaßnahmen – etwa bei der einschneidenden Pfändung gegenüber einem Drittschuldner – keine vorherige Möglichkeit der Vollstreckungsvermeidung durch eine letzte Zahlungsfrist (wie bei § 802f Abs. 1 Satz 1 ZPO) gegeben werde. Auch sei die Informationsdichte bei den Drittauskünften geringer als bei dem umfassenden Vermögensverzeichnis. Mit den Auskunftsstellen seien vertrauenswürdige Behörden involviert.

Zwei selbstständige Voraussetzungsalternativen

Ob der Gläubiger zu weitergehendem Vortrag zur Möglichkeit seiner Befriedigung aus den im Vermögensverzeichnis angegebenen Gegenständen verpflichtet sei, müsse wegen der Selbstständigkeit der beiden Alternativen in § 802l ZPO für die Berechtigung zur Einholung einer Drittauskunft nicht entschieden werden.

Zeitliche Grenze beachten

In zeitlicher Hinsicht sieht das AG die Möglichkeit zur Einholung von Drittauskünften auf den in § 802d ZPO vorgegebenen Zeitraum von zwei Jahren nach der letzten Eintragung über die Nichtabgabe der Vermögensauskunft begrenzt. Diese Frist war im konkreten Fall gewahrt.

3 Der Praxistipp

Schuldner sieht anders als GV keinen Handlungsbedarf

Bemerkenswert ist zunächst, dass der Gerichtsvollzieher sich zum Sachwalter des Schuldners macht, der offenbar keine Bedenken gegen das Vorgehen des Gläubigers hatte. Der Schuldner hat gegen die Entscheidung des AG keine sofortige Beschwerde erhoben. Dem Gerichtsvollzieher steht kein eigenes Recht zu.

Streit um die isolierte Antragstellung noch unentschieden

Der BGH hat sich zwar inzwischen erstmals zu § 802l ZPO geäußert (BGH FoVo 2015, 135), war dabei aber aufgrund des konkreten Sachverhaltes nicht veranlasst, zu der hier streitigen Frage Stellung zu nehmen. In der Sache ist streitig, ob eine isolierte Antragstellung nach § 802l ZPO möglich ist. Entgegen der Auffassung von Mroß (DGVZ 2015, 57) muss sich der Streit allerdings darauf beschränken, ob eine isolierte Antragstellung dann möglich ist, wenn der Schuldner eine Vermögensauskunft tatsächlich abgegeben hat, jed...

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