Frage ist höchstrichterlich geklärt

Der BGH hatte sich mit dieser Frage schon im Jahr 2011 auseinanderzusetzen und sie dahin beantwortet, dass es keine Verpflichtung gibt, ausschließlich mit dem bestellten Vertreter zu korrespondieren (BGH NJW 2011, 1005).

Kein Verstoß gegen § 172 ZPO oder § 12 BORA

Eine Verpflichtung des Gläubigers oder des von ihm beauftragten Inkassounternehmens, eine unmittelbare Kontaktaufnahme zum anwaltlich vertretenen Schuldner zu unterlassen, ergibt sich weder aus § 172 ZPO noch aus § 12 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) in der Fassung vom 22.3.1999 (BRAK-Mitt. Nr. 3 S. 123), zuletzt geändert durch Beschluss der Bundesrechtsanwaltskammer vom 25./26.6.2010 (BRAK-Mitt. Nr. 6 S. 253).

§ 172 ZPO betrifft nur anhängige Gerichtsverfahren

Nach § 172 Abs. 1 ZPO hat die Zustellung in einem anhängigen Verfahren an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut und Sinn ist die Vorschrift nur auf ein bereits anhängiges gerichtliches Verfahren bezogen und sagt nichts über die Frage des richtigen Zustellungsadressaten bei außergerichtlichen Streitigkeiten aus.

§ 12 BORA gilt nur für Anwälte

§ 12 BORA verbietet es zwar einem Rechtsanwalt grundsätzlich, ohne Einwilligung des gegnerischen Rechtsanwalts mit dessen Mandanten unmittelbar Verbindung aufzunehmen oder zu verhandeln. Zweck des Verbots sind der Schutz des gegnerischen Rechtsanwalts vor Eingriffen in dessen Mandatsverhältnis, der Schutz des gegnerischen Mandanten und der Schutz der Rechtsprechung vor der Belastung mit Auseinandersetzungen, die ihren Grund in Einlassungen der von ihrem Rechtsanwalt nicht beratenen Partei finden. Trotz dieses Schutzzwecks kommt sie als Anspruchsgrundlage für den Kläger aber nicht in Betracht, weil diese berufsrechtliche Vorschrift nur die beteiligten Rechtsanwälte, nicht jedoch die von ihnen vertretenen Mandanten verpflichtet (BGH VersR 2004, 402, 403 m.w.N.).

 

Hinweis

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ein Rechtsanwalt sehr wohl von einem Rechtsanwalt verlangen kann, dass der eigene Mandant nicht unmittelbar angeschrieben wird, nicht aber von einem registrierten Inkassounternehmen.

Gibt das Persönlichkeitsrecht einen Unterlassungsanspruch?

Auch aus §§ 1004 analog, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG ergibt sich für den BGH kein rechtlich beachtliches Gebot, die unmittelbare Kontaktaufnahme zu unterlassen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt zwar den Bereich privater Lebensgestaltung und gibt dem Betroffenen (Schuldner) das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden. Hieraus folgt ein Recht des Einzelnen, seine Privatsphäre freizuhalten von unerwünschter Einflussnahme anderer (Gläubiger und deren Rechtsdienstleister), und die Möglichkeit des Betroffenen, selbst darüber zu entscheiden, mit welchen Personen und gegebenenfalls in welchem Umfang er mit ihnen Kontakt haben will. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann deshalb vor Belästigungen schützen, die von einer unerwünschten Kontaktaufnahme ausgehen. In der bloßen – als solche nicht ehrverletzenden – Kontaktaufnahme kann aber regelmäßig nur dann eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen, wenn sie gegen den eindeutig erklärten Willen des Betroffenen erfolgt, weil ansonsten die Freiheit kommunikativen Verhaltens schwerwiegend beeinträchtigt wäre.

Grenzen des Persönlichkeitsrechtes sehen

Das Recht des Schuldners auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seiner Privatsphäre aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK ist nach Auffassung des BGH aber mit dem berechtigten Interesse des Gläubigers und des registrierten Inkassounternehmens als dessen Rechtsdienstleister, zur Durchsetzung ihrer behaupteten Ansprüche unmittelbar mit ihrem Vertragspartner in Kontakt zu treten, abzuwägen. Denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH VersR 2010, 673 m.w.N.).

Abwägung fällt zugunsten der Gläubiger aus

Bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen überwiegt nach dem BGH das Interesse des Schuldners nicht das Interesse des Gläubigers, mit ihm unmittelbar in Kontakt zu treten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass unerwünschte Mahnschreiben die Interessen des Schuldners nur vergleichsweise geringfügig beeinträchtigten, weil er diese mit geringem Aufwand an den beauftragten Rechtsanwalt weiterleiten kann. Andererseits liegt es im berechtigten Interesse des Gläubigers, mit seinem Vertragspartner zur Geltendmachung von ...

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