Leitsatz

Das Vollstreckungsgericht prüft grundsätzlich nicht, ob die materiellen Voraussetzungen des § 850h Abs. 2 ZPO vorliegen; es hat – unbeschadet zu beachtender Pfändungsschutzvorschriften – nicht über Bestand und Höhe des fingierten Vergütungsanspruchs zu befinden. Ob und in welcher Höhe dem Gläubiger eine an­gemessene Vergütung gemäß § 850h Abs. 2 ZPO zusteht, ist gegebenenfalls vom ­Prozessgericht in dem gegen den Drittschuldner gerichteten Einziehungserkenntnisverfahren zu entscheiden.

BGH, 12.9.2013 – VII ZB 51/12

1 I. Der Fall

PfÜB über Arbeitsein­kommen beantragt

Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer in einem Kostenfestsetzungsbeschluss titulierten Forderung (Hauptbetrag 404 EUR) sowie wegen Kosten. Der Gläubiger hat den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) beantragt, durch den unter anderem die gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche der Schuldnerin auf Zahlung von Arbeitseinkommen gegen den Drittschuldner gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen werden sollen.

Gläubiger behauptet eine Lohnverschleierung

Die Schuldnerin und der Drittschuldner leben in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Der Drittschuldner ist berufstätig, während die Schuldnerin arbeitslos ist und den gemeinsamen Haushalt führt. Der Gläubiger ist der Ansicht, gemäß § 850h Abs. 2 ZPO gelte im Verhältnis zwischen ihm und dem Drittschuldner eine angemessene Vergütung für die Haushaltsführung seitens der Schuldnerin als geschuldet; diese Vergütung unterliege dem Pfändungszugriff.

AG hat deshalb den Antrag zurückgewiesen

Das AG hat den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines PfÜB wegen der angeblichen Ansprüche der Schuldnerin gegen den Drittschuldner aus einem fiktiven Arbeitseinkommen für die Haushaltsführung als unzulässig zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde blieb erfolglos.

2 II. Die Entscheidung

BGH folgt dem Gläubiger …

§ 850h Abs. 2 ZPO schützt das Interesse des Vollstreckungsgläubigers an der Durchsetzung seiner Forderung gegen einen Schuldner, der für einen Dritten arbeitet oder sonst Dienste leistet, ohne eine entsprechende angemessene Vergütung zu erhalten. Das Gesetz behandelt diesen Dritten beim Vollstreckungszugriff des Gläubigers so, als ob er dem Schuldner zu einer angemessenen Vergütung verpflichtet sei (BGH NJW 1979, 1600; BAGE 126, 137, 147).

… und zeigt dem Rechtspfleger seine Grenzen auf

Das Vollstreckungsgericht prüft grundsätzlich nicht, ob die zu pfändende Forderung besteht (BGH FoVo 2012, 238 m.w.N). Eine Pfändung muss immer dann erfolgen, wenn dem Schuldner die Forderung nach irgendeiner vertretbaren Rechtsansicht zustehen kann. Der Pfändungsantrag darf vom Vollstreckungsgericht nur ausnahmsweise abgelehnt werden, wenn dem Schuldner die Forderung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen offenbar nicht zustehen kann oder ersichtlich unpfändbar ist (BGH JurBüro 2010, 440; BGH FoVo 2008, 160). Deshalb pfändet das Vollstreckungsgericht auch nur die "angebliche Forderung" des Schuldners gegen den Drittschuldner (BGH NJW 2004, 2096 = InVo 2004, 370 m.w.N). Diese Grund­sätze gelten auch beim Pfändungszugriff nach § 850h Abs. 2 ZPO.

Pfändung erfasst verschleiertes Einkommen

Die Pfändung des Arbeitseinkommens erfasst ohne besonderen Ausspruch auch den fingierten Vergütungsanspruch gemäß § 850h Abs. 2 ZPO; der Gläubiger muss nicht einen angeblichen Vergütungsanspruch im Sinne des § 850h Abs. 2 ZPO eigens pfänden. Das Vollstreckungsgericht prüft grundsätzlich nicht, ob die materiellen Voraussetzungen des § 850h Abs. 2 ZPO vorliegen; es hat – unbeschadet zu beachtender Pfändungsschutzvorschriften – nicht über Bestand und Höhe des fingierten Vergütungsanspruchs zu befinden; dementsprechend muss der Gläubiger dazu auch nichts vortragen. Ob und in welcher Höhe dem Gläubiger eine angemessene Vergütung gemäß § 850h Abs. 2 ZPO zusteht, ist gegebenenfalls vom Prozessgericht in dem gegen den Drittschuldner gerichteten Einziehungserkenntnisverfahren zu entscheiden.

Ansprüche aus Arbeitsleistungen in der Lebensgemeinschaft sind pfändbar

Der Gläubiger hat Ansprüche gepfändet, die gegenwärtig oder zukünftig bestehen können. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die Schuldnerin Leistungen erbringt oder erbringen wird, die üblicherweise vergütet werden. Ob Leistungen, die ein Schuldner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft erbringt, nach den Umständen des Einzelfalls einen fingierten Vergütungsanspruch im Sinne des § 850h Abs. 2 ZPO rechtfertigen, ist unter Berücksichtigung der Aufgabenverteilung zwischen Prozessgericht und Vollstreckungsgericht nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären.

Was es noch zu beachten gilt

Auch im Anwendungsbereich des § 850h Abs. 2 ZPO sind die Pfändungsschutzvorschriften, insbesondere § 850c ZPO und § 850f Abs. 2 ZPO, vom Vollstreckungsgericht zu beachten, weshalb das Vollstreckungsgericht gegebenenfalls über den Antrag des Gläubigers gemäß § 850f Abs. 2 ZPO zu befinden haben wird. Das Vollstreckungsgericht bestimmt bei der Pfändung die etwa gemäß § 850h Abs. 2 ZPO geschulde...

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