Leitsatz

Die zivilprozessuale Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO gilt auch im Verfahren nach dem Zwangsversteigerungsgesetz. Sie erfordert aber nicht allgemeine Ausführungen über die Rechte der Beteiligten, sondern kommt in erster Linie zum Tragen, wenn das Gericht Anlass zu der Annahme hat, dass ein Beteiligter die Rechtslage falsch einschätzt und ihm deshalb ein Rechtsnachteil droht.

BGH, 10.10.2013 – V ZB 181/12

1 I. Der Fall

Zwei Gläubiger betreiben die Zwangsversteigerung

Die Schuldner sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer eines Grundstücks, das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Auf Antrag des Gläubigers zu 1) ordnete das AG 2009 die Zwangsversteigerung des Miteigentumsanteils des Schuldners an. Die Gläubigerin zu 2 trat dem Verfahren bei. 2010 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet. Ende 2010 wurde der im Grundbuch eingetragene Insolvenzvermerk wieder gelöscht. Auf Antrag des Gläubigers zu 2 ordnete das AG im August 2010 auch die Zwangsversteigerung des Miteigentumsanteils der Schuldnerin an. Die Verfahren der beiden Schuldner wurden miteinander verbunden.

In dem Versteigerungstermin 2012, in dem nur der Schuldner, nicht aber die Schuldnerin anwesend war, hat der Gläubiger zu 2 beantragt, die beiden Miteigentumshälften gemeinsam unter Verzicht auf Einzelausgebote auszubieten. Nachdem der Schuldner dem Antrag zugestimmt hatte, hat das AG beschlossen, dass die Versteigerung der Miteigentumshälften nur im Gesamtausgebot erfolgt. Dem Meistbietenden ist der Zuschlag erteilt worden. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldner hat das LG den Zuschlagsbeschluss aufgehoben. Hiergegen wendet sich der Gläubiger zu 2) nach erfolglosem Beschwerdeverfahren mit der Rechtsbeschwerde.

2 II. Die Entscheidung

SU beschwerdebefugt nach Freigabe des Grundstücks

Das LG ging zu Recht davon aus, dass der Schuldner gemäß § 97 Abs. 1 ZVG i.V.m. § 9 ZVG beschwerdeberechtigt ist. Zwar wurde im Laufe des Zwangsversteigerungsverfahrens über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet. Dies hat grundsätzlich zur Folge, dass das Verwaltungs- und Verfügungsrecht gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergeht und der Schuldner die ihm zustehenden Rechtsbehelfe nicht mehr selbst einlegen kann (BGH NJW-RR 2008, 360). Der im Grundbuch eingetragene Insolvenzvermerk ist einige Monate später aber, wie das Grundbuchamt dem Vollstreckungsgericht unter Vorlage eines Grundbuchauszugs mitgeteilt hat, gelöscht worden. Rechtsfehlerfrei nimmt das LG an, dass der Schuldner damit die Befugnis zur Verwaltung und Verfügung über den Miteigentumsanteil an dem Grundstück wiedererlangt hat und erneut Beteiligter im Sinne von § 9 ZVG war. Denn der Insolvenzvermerk wird gelöscht, wenn ein zur Insolvenzmasse gehörender, im Grundbuch eingetragener Vermögensgegenstand aus der beschlagnahmten Masse – sei es durch Freigabe oder Veräußerung eines einzelnen Gegenstandes durch den Verwalter (§ 32 Abs. 3 InsO) oder durch allgemeine Aufhebung des Insolvenzbeschlags – ausscheidet.

Ausschluss von Einzelgeboten nur mit Zustimmung

Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Annahme des LG, das Vollstreckungsgericht habe seine Hinweispflicht verletzt. Bei der Versteigerung waren Einzelausgebote auf die beiden hälftigen Miteigentumsanteile der Schuldner ausgeschlossen worden. Das ist, wie das LG zutreffend ausführt, nur zulässig, wenn die anwesenden Beteiligten, deren Rechte bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht zu berücksichtigen sind, auf die Einzelausgebote nach § 63 Abs. 4 ZVG verzichtet haben; dies gilt auch, wenn es sich – wie hier – um ein Grundstück handelt, das mit einem einheitlichen Bauwerk bebaut ist, § 63 Abs. 1 Satz 2 ZVG. Der erforderliche Verzicht der Beteiligten, insbesondere auch der des Schuldners, lag vor. Zu Unrecht meint das Beschwerdegericht aber, die Rechtspflegerin habe den Schuldner im Zusammenhang mit dem von ihm erklärten Verzicht auf Einzelausgebote nicht hinreichend aufgeklärt.

Hierauf muss der SU nicht hingewiesen werden

Zwar gilt die zivilprozessuale Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO auch im Verfahren nach dem Zwangsversteigerungsgesetz. Sie erfordert aber nicht allgemeine Ausführungen über die Rechte der Beteiligten, sondern kommt in erster Linie zum Tragen, wenn das Gericht Anlass zu der Annahme hat, dass ein Beteiligter die Rechtslage falsch einschätzt und ihm deshalb ein Rechtsnachteil droht (BVerfG NJW-RR 2012, 302; BVerfG NJW-RR 2005, 936). Für eine Aufklärung des Schuldners über die rechtliche Wirkung seiner Zustimmung, die beiden Miteigentumshälften nur gemeinsam unter Verzicht auf Einzelausgebote auszubieten, bestand hiernach kein Anlass. Den Feststellungen des LG lässt sich nicht entnehmen, dass dem Vollstreckungsgericht Anhaltspunkte vorlagen, die darauf hindeuteten, dem Schuldner könnte der Unterschied zwischen einem Einzelausgebot und einem Gesamtausgebot nicht bekannt gewesen sein oder er könnte sich darüber im Unklaren gewesen sein, dass seine Zustimmung das Unterbleiben eines Einzelausgebots zur Folge hat. Ebenso wenig ergibt si...

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