Das Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz (BGBl I 2020, S. 2466) ändert nichts an dem Grundprinzip, dass der Schuldner nach § 899 ZPO einen gesetzlichen Grundpfändungsfreibetrag auf seinem P-Konto erhält und eine Erhöhung der Pfändungsfreibeträge in den in § 902 ZPO (bisher § 850k Abs. 2 ZPO) genannten Fällen einen Nachweis in Form einer Bescheinigung für das Kreditinstitut voraussetzt. Das Verfahren dazu ist seit dem 1.12.2021 in § 903 ZPO geregelt. Auf der dritten Stufe – und zu den ersten beiden Stufen subsidiär – kann dann noch das Vollstreckungsgericht nach § 906 ZPO Erhöhungsbeträge festsetzen.

Schuldner handelt – Gläubiger kontrolliert

Die Handlungsoption für die Erhöhungsbeiträge liegt also beim Schuldner. Dem Gläubiger kommt es demgegenüber zu, Verfahren, Inhalt und auch die zeitliche Fortwirkung im Nachweisverfahren zu kontrollieren. Nachfolgend sollen dazu die Einzelheiten erläutert werden.

 

Im Wortlaut: § 903 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 ZPO

(1) 1Das Kreditinstitut kann aus Guthaben, soweit es als Erhöhungsbetrag unpfändbar ist, mit befreiender Wirkung gegenüber dem Schuldner an den Gläubiger leisten, bis der Schuldner dem Kreditinstitut nachweist, dass es sich um Guthaben handelt, das nach § 902 nicht von der Pfändung erfasst wird.

(4) Das Kreditinstitut hat die Angaben in der Bescheinigung nach Absatz 1 Satz 2 ab dem zweiten auf die Vorlage der Bescheinigung folgenden Geschäftstag zu beachten.

Die zeitlichen Dimensionen

§ 903 Abs. 1 S. 1 ZPO beschreibt in Verbindung mit Abs. 4 zunächst die zeitliche Zäsur zwischen dem Moratorium zur Auszahlung und der Erhöhung der Pfändungsfreibeträge auf der zweiten Stufe des Pfändungsschutzes. Erst ab dem zweiten auf die Vorlage des von dem Schuldner zu erbringenden Nachweises folgenden Geschäftstag muss das Kreditinstitut die Bescheinigung bzw. den dadurch erhöhten Pfändungsfreibetrag beachten. Vor diesem Zeitpunkt darf das Kreditinstitut nicht nur schuldbefreiend an den Gläubiger leisten, sondern muss es auch.

 

Hinweis

Gerade hierauf muss der Gläubiger achten und auf eine unmittelbare Auszahlung nach Ablauf des zeitlichen Moratoriums dringen. Es liegt nicht völlig fern, dass die Bank "zum Wohle ihres Kunden" die Moratoriumszeit streckt, wenn die Vorlage der Bescheinigung bereits avisiert wurde.

Gleichzeitig ist damit ausgedrückt, dass eine bereicherungsrechtlich aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB begründete Rückzahlung von ausgekehrten pfändbaren Beträgen ausscheidet, wenn sich der erhöhte Pfändungsfreibetrag auch bereits vor dem erfolgten Nachweis ergeben hätte. Die Auszahlung an den Gläubiger ist mangels früheren Nachweises dann nämlich nicht ohne rechtlichen Grund erfolgt.

Gesetzgeber hilft dem Schuldner: Pflicht zur Ausstellung von Bescheinigungen

Nach § 850k Abs. 5 S. 2 ZPO a.F. waren die dort genannten Stellen berechtigt, aber nicht verpflichtet, die erforderlichen Bescheinigungen auszustellen. Nach § 903 Abs. 3 S. 1 ZPO sind die Bescheinigungsstellen nunmehr verpflichtet, die Nachweise für den Schuldner zu erstellen. Damit reduziert sich der zeitliche Druck für den Schuldner, da er nicht mehr mehrere Stellen um die Ausstellung bitten muss (hierzu BT-Drucks 19/19850, S. 39).

 

Im Wortlaut: § 903 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 ZPO

(3) 1Jede der in Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 genannten Stellen, die Leistungen im Sinne des § 902 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b und c sowie Nummer 2 bis 6 durch Überweisung auf ein Zahlungskonto des Schuldners erbringt, ist verpflichtet, auf Antrag des Schuldners eine Bescheinigung nach Absatz 1 Satz 2 über ihre Leistungen auszustellen.

Bescheinigung über Art, Höhe und Leistungszeitraum

Der Schuldner muss die Qualifizierung der Gutschrift auf seinem Konto durch eine Bescheinigung der Leistungsstelle, des Arbeitgebers oder einer sonstigen geeigneten Person beibringen. Es genügt also nicht die Bezeichnung der Gutschrift auf dem Kontoauszug. Zuständige Stellen sind grundsätzlich die sozialrechtlichen Leistungsträger, die Arbeitgeber und die qualifizierten Schuldnerberatungen nach § 305 InsO sowie geeignete Personen wie Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer.

Der Inhalt der Bescheinigung ist dann in § 903 Abs. 3 S. 2 und 3 ZPO festgelegt.

Leistungsart

Dazu gehört zunächst die Darlegung, welcher Erhöhungstatbestand nach § 902 ZPO erfüllt sein soll.

Checkliste: Privilegierte Leistungsarten nach § 902 ZPO

Leistungen, die den Pfändungsfreibetrag durch Vorlage einer Bescheinigung erhöhen, können sein

Leistungen nach dem SGB II oder XII, die der Schuldner für sich (§ 902 S. 1 Nr. 4 ZPO) oder für andere Personen (§ 902 S. 1 Nr. 1 lit. b) im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft entgegennimmt,
Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die der Schuldner für sich (§ 902 S. 1 Nr. 4 ZPO) oder für andere Personen (§ 902 S. 1 Nr. 1 lit. c ZPO) im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft entgegennimmt,
Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 oder Abs. 3 Nr. 3 SGB I,
Geldleistungen nach 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Leb...

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