BGH widerspricht den Vorinstanzen

Der GV hätte das an ihn von der Gläubigerin mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 8.5.2018 herangetragene Begehren nicht als mangels Verwendung eines neuen Auftragsformulars gemäß § 753 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 1 GVFV abzulehnenden neuen Vollstreckungsauftrag, sondern als Antrag der Gläubigerin auf weitere Ausführung des Vollstreckungsauftrags behandeln müssen, den ihm die Gläubigerin am 30.1.2018 unter Verwendung eines solchen Formulars erteilt hatte.

Grundsätzlicher Formularzwang

Nach § 753 Abs. 1 ZPO wird die Zwangsvollstreckung, soweit sie nicht den Gerichten zugewiesen ist, durch Gerichtsvollzieher durchgeführt, die sie im Auftrag des Gläubigers zu bewirken haben. Gemäß § 753 Abs. 3 S. 1 ZPO ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats verbindliche Formulare für den Auftrag einzuführen. Das Bundesministerium hat von dieser Verordnungsermächtigung mit dem Erlass der am 1.10.2015 in Kraft getretenen Gerichtsvollzieherformular-Verordnung Gebrauch gemacht. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 GVFV ist für den Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher zur Vollstreckung von Geldforderungen das in der Anlage zu dieser Verordnung bestimmte Formular zu verwenden.

Modul L für die Aufenthaltsermittlung

Das genannte Formular enthält im Modul L (L 1 bis L 9) Bestimmungen über die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners gemäß § 755 ZPO. Die Gläubigerin hat den GV im Streitfall durch das Ankreuzen der Module L 3 und L 9 beauftragt, für den Fall des unbekannten Aufenthalts des Schuldners dessen gegenwärtige Anschriften und Angaben zur Haupt- und Nebenwohnung durch Nachfrage bei der Meldebehörde zu ermitteln.

Die vom GV demgemäß vorgenommene Aufenthaltsermittlung stellte keine selbstständige Maßnahme der Zwangsvollstreckung, sondern lediglich eine den GV bei den ihm zugewiesenen Vollstreckungsmaßnahmen unterstützende Hilfsbefugnis dar (BGH NJW-RR 2017, 960 Rn 7 m.w.N.). Diese Hilfsbefugnis, für deren Erfüllung der Gerichtsvollzieher eine Gebühr nach Nr. 440 des Kostenverzeichnisses der Anlage des Gesetzes über Kosten der Gerichtsvollzieher (Gerichtsvollzieherkostengesetz – GvKostG) und die Auslagenpauschale geltend machen kann (AG Syke JurBüro 2018, 661 [juris Rn 5]), soll den Gläubiger von seiner nach der früheren Rechtslage bestehenden Obliegenheit entlasten, den jeweiligen Aufenthaltsort des Schuldners zu ermitteln; außerdem dient sie der Zeitersparnis und damit der Effizienz der Zwangsvollstreckung (vgl. LG Frankenthal DGVZ 2013, 186, 187 [juris Rn 7] = Rpfleger 2013, 631).

Nur durch die Aufenthaltsermittlung kann der Auftrag nicht erledigt werden

Wenn die in § 755 ZPO nunmehr enthaltene Regelung danach dem Interesse der Gläubiger dienen soll, kann nicht angenommen werden, dass der dem GV erteilte Vollstreckungsauftrag bereits dadurch geendet hat und das betreffende Verfahren deshalb nachfolgend schon dann nicht mehr weiterbetrieben werden konnte, wenn die entsprechende Hilfsmaßnahme jedenfalls vorübergehend nicht zum erwünschten Erfolg geführt hat. Die von den Vorinstanzen vertretene gegenteilige Auffassung führte außerdem dazu, dass der Gläubigerin die für sie nach der früheren Rechtslage eröffnete Möglichkeit genommen wäre, die vom GV jedenfalls zunächst nicht ermittelte aktuelle Anschrift des Schuldners selbst in dem betreffenden Vollstreckungsverfahren in Erfahrung zu bringen.

Ermittlung führt nur zum Ruhen

Die von den Vorinstanzen vertretene Ansicht steht zudem in Widerspruch zu der Auffassung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs in dem vorstehend angeführten Beschl. v. 21.6.2017 – VII ZB 5/14, wonach Maßnahmen nach § 755 ZPO verhindern sollen, dass der GV abwarten muss, bis der Gläubiger den Aufenthaltsort des Schuldners ermittelt und mitgeteilt hat (BGH NJW-RR 2017, 960 Rn 9). Bei dieser Beurteilung wird vorausgesetzt, dass der nicht bekannte Aufenthaltsort des Schuldners nicht zur Beendigung des Vollstreckungsauftrags, sondern nur zu dessen Ruhen führt.

Formular ist kein Selbstzweck

Die vom Beschwerdegericht weiterhin angestellte Erwägung, es könnten sich zusätzlich zu der neuen Anschrift des Schuldners weitere Änderungen ergeben, die die Verpflichtung zur erneuten Verwendung des Antragsformulars als sinnvoll erscheinen ließen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dabei kann dahinstehen, ob in einem solchen Fall zwingend ein neues Formular zu verwenden wäre. Zumindest rechtfertigt die bloße Möglichkeit solcher Änderungen es nicht, von einem Zwang zur erneuten Verwendung des Formulars auch dann auszugehen, wenn sich tatsächlich nur die Schuldneranschrift geändert hat.

BGH betont Dispositionsbefugnis des Gläubigers

Gegen die Annahme, der Vollstreckungsauftrag habe im Streitfall durch die Rückgabe der Vollstreckungsunterlagen an die Gläubigerin nach der erfolglosen Anfrage des Gerichtsvollziehers bei der Meldebehörde geendet, spricht schließlich der Umstand, dass ein Vollstreckungsauftrag durch e...

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