Leitsatz

1. Der Antrag des Gläubigers auf Einholung von Drittauskünften gemäß § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 802l ZPO ist eine besondere Angelegenheit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG, für die dem Rechtsanwalt eine 0,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3309 VV RVG zusteht.

2. Die Vorschrift des § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG ist auf Verfahren zur Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO nicht analog anwendbar.

BGH, Beschl. v. 20.9.2018 – I ZB 120/17

1 I. Der Fall

Berücksichtigung von Vollstreckungskosten für Drittauskunft im PfÜB …

Die Gläubigerin beantragte mit Schreiben vom 2.3.2017 den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) gegen den Schuldner wegen einer titulierten Hauptforderung, Zinsen, festgesetzten Kosten und Vollstreckungskosten. Als Vollstreckungskosten beantragte die Gläubigerin unter anderem eine Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 201,20 EUR für die Einholung einer Drittauskunft über den Schuldner aufgrund eines gesonderten Vollstreckungsauftrags vom 19.1.2017.

… wurde durch das AG und LG abgelehnt

Das AG hat den Antrag auf Erlass des PfÜB hinsichtlich der als Vollstreckungskosten beantragten Rechtanwaltsvergütung für die Drittauskunft zurückgewiesen. Die dagegen von der Gläubigerin eingelegte sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Begehren weiter.

LG sieht gemeinsame Angelegenheit mit der Vermögensauskunft

Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Gläubigerin stehe eine gesonderte 0,3-Verfahrensgebühr für die Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO in Verbindung mit Nr. 3309 VV RVG nicht zu. Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG bildeten die gesamten zu einer bestimmten Vollstreckungsmaßnahme gehörenden, miteinander in einem inneren Zusammenhang stehenden Vollstreckungshandlungen von der Vorbereitung der Vollstreckung bis zur Befriedigung des Gläubigers oder bis zum sonstigen Abschluss der Vollstreckung eine gebührenrechtliche Angelegenheit. Die Drittauskünfte nach § 802l ZPO dienten der Informationsgewinnung und damit dem gleichen Befriedigungsziel des Gläubigers wie die Selbstauskunft des Schuldners gemäß § 802l ZPO.

2 II. Die Entscheidung

Gläubigerin hat mit der Rechtsbeschwerde Erfolg

Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht angenommen, der Gläubigerin stehe bei einem isolierten Antrag auf Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO keine gesonderte 0,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3309 VV RVG zu.

Jede Vollstreckungsmaßnahme ist eine Angelegenheit

Gemäß § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ist der Gerichtsvollzieher aufgrund eines entsprechenden Vollstreckungsauftrags des Gläubigers befugt, nach § 802l ZPO Auskünfte Dritter über das Vermögen des Schuldners einzuholen. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG stellt jede Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch diese vorbereiteten weiteren Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers eine besondere Angelegenheit dar.

BGH muss Streitfrage entscheiden

Die Frage, ob für die Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO eine gesonderte Gebühr nach Nr. 3309 VV RVG anfällt, wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beantwortet.

Keine besondere Angelegenheit

Nach einer Ansicht, der sich das Beschwerdegericht angeschlossen hat. stellt die Einholung von Drittauskünften gebührenrechtlich keine besondere Angelegenheit dar (LG Memmingen DGVZ 2018, 18; AG Hechingen DGVZ 2018, 125; AG Meißen DGVZ 2018, 183; Mock/Schneider/Wolf, in: AnwK-RVG, 8. Aufl., § 18 Rn 195 ff.; Volpert, RVGreport 2017, 82 f.). Nach dem Wortlaut des § 802l ZPO sei ein isolierter Antrag auf Einholung von Drittauskünften ohne ein vorheriges Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft unzulässig. Bei der Drittauskunft handele es sich nicht um eine eigene Vollstreckungsmaßnahme, sondern um die Fortsetzung des Verfahrens zur Abgabe der Vermögensauskunft. Die Aufträge zur Abnahme der Vermögensauskunft und zur Einholung von Drittauskünften stellten eine einheitliche Vollstreckungsmaßnahme dar, deren Zweck die Informationsgewinnung sei. Gegen die Entstehung einer separaten Anwaltsgebühr für die Einholung von Drittauskünften spreche auch die fehlende Erwähnung des § 802l ZPO in § 25 Abs. 1 Nr. 4 RVG, der den Gegenstandswert in der Zwangsvollstreckung im Fall der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO auf höchstens 2.000 EUR begrenze.

Besondere Angelegenheit, wenn neuer Gläubiger handelt

Nach einer vermittelnden Meinung soll der durch den Auftrag zur Einholung von Drittauskünften gemäß § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 802l ZPO erstmals tätig werdende Rechtsanwalt eine Gebühr gemäß Nr. 3309 VV RVG verdienen, während diese Tätigkeit für den bereits im Verfahren auf Abnahme der Vermögensauskunft tätig gewordenen Rechtsanwalt keine besondere gebührenrechtliche Angelegenheit bilde, sondern mit der zuvor verdienten Gebühr abgegolten sei (Sternal, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zw...

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