I. Das Problem

Reicht die Fristsetzung auf Rechnung für die Entbehrlichkeit der Mahnung?

Auf einer Veranstaltung vertrat die Referentin die Auffassung – und erklärte dies mit Nachdruck –, dass der Verzug nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB eintritt, wenn eine Frist mit der Formulierung "zahlbar bis 15.11.2016" auf der Rechnung vermerkt sei.

Die Einwendung, dass es sich bei einer Rechnung um eine einseitige Willenserklärung handelt, die lediglich die Wünsche des Leistungserbringers zum Ausdruck bringt und eben nicht Vertragsbestandteil ist, wurde vehement beiseite geschoben. Es ist doch wohl so, dass die Norm nur dann greift, wenn der Leistungszeitpunkt vereinbart wurde, und vereinbaren gelingt ja wohl nur beiderseitig. Oder irren wir?

II. Die Lösung

Verzug hat verschiedene Voraussetzungen

Die Voraussetzungen und Folgen des Verzuges sind in §§ 280, 286, 288 BGB geregelt. Danach setzt der Verzug und damit die Ersatzpflicht für mögliche Rechtsverfolgungskosten voraus:

ein Schuldverhältnis,
Pflichtverletzung = Nichtleistung trotz Fälligkeit,
fortgesetzte Möglichkeit der Leistung ("Geld hat man zu haben"),
Durchsetzbarkeit (unverjährte und nicht restschuldbefreite Forderung),
Mahnung oder Entbehrlichkeit der Mahnung,
Verschulden.

Die Rechtsfolgen

Befindet sich der Schuldner in Verzug, so hat er dem Gläubiger den Verzugsschaden zu ersetzen. Dieser besteht in den Rechtsverfolgungskosten, die der Gläubiger an einen Rechtsdienstleister, d.h. einen Rechtsanwalt oder ein Inkassounternehmen zahlen muss.

 

Hinweis

Aber Vorsicht: Wird der Rechtsdienstleister bereits mit der verzugsbegründenden Mahnung beauftrag, so entsteht schon in diesem Zeitpunkt die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG. Die weiteren Tätigkeiten des Rechtsdienstleisters lösen keine weitere Gebühr aus, so dass der Schaden nicht auf dem Verzug beruht (Kausalität), so dass der Schuldner nichts zu ersetzen hat. Die verzugsbegründende Mahnung sollte der Gläubiger deshalb stets noch in seiner Verantwortung formulieren und dabei in Beachtung der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB auch darauf hinweisen, dass er die Angelegenheit ohne fristgerechten Forderungsausgleich an einen Rechtsdienstleister übergibt.

Die Entbehrlichkeit der Mahnung

Die Leserfrage zielt auf die Gründe für die Entbehrlichkeit der Mahnung. Diese sind in § 286 Abs. 2 und 3 BGB geregelt. Der Mahnung bedarf es zunächst nach § 286 Abs. 2 BGB nicht, wenn

für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
der Leistung ein Ereignis vorausgeht und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

Nach dem Kalender bestimmte Leistungszeit

Wann eine Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich ist, hat der BGH schon 2007 (NJW 2008, 50) entschieden. Es kommt danach auf eine vertragliche Vereinbarung der Leistungszeit an. Er führt aus: "Der Mahnung bedarf es gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. Eine solche Bestimmung muss aber durch Rechtsgeschäft – in der Regel in dem zugrunde liegenden Vertrag –, durch Gesetz oder in einem Urteil getroffen worden sein. Die einseitige Festlegung einer Leistungszeit durch den Gläubiger reicht, sofern dieser nicht nach § 315 BGB zur Bestimmung der Leistung berechtigt ist (vgl. hierzu BGH NJW 2005, 1772; BGH NJW 2006, 3271; BGH Grundeigentum 2006, 1608, 1609 f.), für die Anwendung der Vorschrift nicht aus …" Im Fall des Lesers irrt die Referentin also, wenn sie auf die einseitige Bestimmung einer Leistungsfrist in der Rechnung abhebt.

Nach einem Ereignis bestimmte Leistungszeit

Auch aus § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB lässt sich nichts anderes ableiten. Auch hier ist es erforderlich, dass das Ereignis, von dem eine Leistungspflicht abhängt, vertraglich oder gesetzlich bestimmt ist (zuletzt BGH GRUR 2016, 836 Rn 142 – zitiert nach juris). Auch hier ist also die einseitige Leistungsbestimmung nicht zielführend (vgl. hierzu auch MüKo-BGB, 7. Auf. 2016, § 286 Rn 57).

Aber: Verzugseintritt kann mit Rechnung angelegt werden

Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt nach § 286 Abs. 3 BGB allerdings spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet.

 

Hinweis

Eine Entgeltforderung liegt nach der Rechtsprechung (BGH NJW 2010, 1872; BGH NJW 2010, 3226) vor, "wenn die Forderung auf die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für eine vom Gläubiger erbrachte oder zu erbringende Leistung gerichtet ist, die in der Lieferung von Gütern oder der Erbringung von Dienstleistungen besteht."

Aber Achtung: Dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher (§ 13 BGB) ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist.

 

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