Pfändungsschutz für Schuldner und Angehörige

Ist der Schuldner erwerbsfähig, unterliegt sein Arbeitseinkommen dem Pfändungsschutz nach § 850c ZPO. Nach der zuletzt zum 1.7.2011 in Kraft getretenen Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2011 (BGBl 2011, 825, hierzu FoVo 2011, 101) beträgt der Pfändungsfreibetrag für den Schuldner 1.028,89 EUR monatlich, für die erste unterhaltsberechtigte Person 387,22 EUR sowie für die zweite bis fünfte unterhaltsberechtigte Person 215,73 EUR.

Schutz nur bei Bedürftigkeit

Der Berücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen liegt die Überlegung des Gesetzgebers zu Grunde, dass der Schuldner aus seinem Arbeitseinkommen nicht nur seinen eigenen Unterhalt bestreiten muss, sondern auch den Unterhalt der mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen. Daraus ergibt sich zugleich, dass eine Nichtberücksichtigung der unterhaltsberechtigten Personen dann stattfinden muss, wenn diese sich aus eigenem Einkommen selbst unterhalten können. Der Gesetzgeber gibt dem Gläubiger deshalb die Möglichkeit durch einen Antrag beim Vollstreckungsgericht feststellen zu lassen, dass eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person im konkreten Einzelfall bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens nicht berücksichtigt wird, § 850c Abs. 4 ZPO.

 

Im Wortlaut: § 850c Abs. 4 ZPO

(1) – (3) …

(4) Hat eine Person, welcher der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Abs. 3 Satz 2 nicht anzuwenden.

Die Nichtberücksichtigung einer unterhaltsberechtigten Person kann sich für den Gläubiger in Euro und Cent auszahlen.

 

Beispiel

Der Schuldner ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er verfügt über ein Nettoeinkommen von 1.700,00 EUR. Bei der Berücksichtigung von insgesamt drei unterhaltsberechtigten Personen ergibt sich kein pfändbarer Betrag. Wäre dagegen eine Person nicht zu berücksichtigen, ergäbe sich schon ein pfändbarer Betrag von 27,26 EUR, bei zwei nicht zu berücksichtigenden Personen von 141,95 EUR und wenn alle drei unterhaltsberechtigte Personen über eigenes Einkommen verfügen von 469,78 EUR.

Erweiterten Anwendungsbereich beachten

Dem Wortlaut nach greift § 850c Abs. 4 ZPO nur für den Fall, dass die unterhaltsberechtigte Person selbst über eigenes Einkommen verfügt. Nach der Rechtsprechung gilt die Vorschrift aber auch, wenn der Schuldner zwar unterhaltsverpflichtet und die unterhaltsberechtigte Person auch bedürftig ist, der Schuldner aber tatsächlich überhaupt keinen Unterhalt leistet. Ungeachtet dessen gilt die Norm nicht nur dann, wenn die unterhaltsberechtigte Person sich aus eigenem Einkommen vollständig unterhalten kann, sondern auch für den Fall, dass dies nur teilweise gelingt. Im letzten Fall ist die unterhaltsberechtigte Person auch nur teilweise nicht zu berücksichtigen.

Die gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen

§ 850c Abs. 4 ZPO privilegiert bei der Bestimmung des pfändbaren Arbeitseinkommens des Schuldners nur die gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen. Hierzu gehören:

 

Checkliste: Unterhaltsberechtigte Personen

Gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen sind:

der aktuelle und der frühere Ehegatte
die nichteheliche Mutter
der aktuelle und frühere Lebenspartner (Lebenspartnerschaft)

Verwandte in gerader Linie

Kinder
Enkelkinder
Eltern
Großeltern

Damit bleibt unerheblich, ob der Schuldner sonstigen dritten Personen aufgrund eigener Freigebigkeit Unterhalt gewährt. Die Unterhaltung des nichtehelichen Lebensgefährten bleibt also ebenso unberücksichtigt bei der Bestimmung des Pfändungsbetrages wie die Unterhaltung von Kindern des Lebensgefährten oder neuen Ehegatten, solange diesen gegenüber keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht. Gegenüber den gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen sind die Unterhaltspflichten nur dann erheblich, wenn tatsächlich Leistungen in Form von Natural- oder Barunterhalt erbracht werden.

 

Checkliste: Keine gesetzlichen Personen

Keine gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen sind:

Stief- oder Pflegekinder
Lebensgefährten
Geschwister
Schwiegereltern
Geschädigte nach einem Unfall mit Anspruch auf Unfallrente

Grundlage: Ein Antrag des Gläubigers

Den Antrag auf Nichtberücksichtigung einer unterhaltsberechtigten Person muss nach dem eindeutigen Wortlaut der Gläubiger stellen. Er kann dies mit der Beantragung des ursprünglichen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses tun, aber auch später einen isolierten Antrag stellen.

 

Hinweis

Verfügt der Gläubiger schon bei der Beantragung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses über Informationen zum Einkommen unterhaltsberechtigte Personen, so hat die unmittelbare Stellung des Antrages nach § 850c Abs. 4 ZPO den Vorteil, dass der Schuldner hierzu nach § 834 ZPO nicht angehört...

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