Gesetzliche oder vertragliche Abfindungen

Abfindungen sind im Arbeitsleben ein adäquates Instrument, um zu einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu kommen und eine Kündigungsschutzklage zu vermeiden. Auch bei streitigen Auseinandersetzungen um eine Kündigung ist die Abfindung häufig das Mittel der Wahl, wenn eine Weiterbeschäftigung ernsthaft nicht mehr in Betracht kommt. In Betracht kommt eine Abfindung aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Vereinbarung. Gesetzliche Regelungen finden sich etwa

in §§ 9, 10 KschG – in Abhängigkeit vom Lebensalter und der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses werden bis zu 12, 15 oder 18 Monatsgehälter als Abfindung vorgesehen,
in §§ 112, 113 BetrVG,
in § 21 BeamtVG oder
in §§ 9, 48 des Wehrsoldgesetzes (WSG).
 

Hinweis

In der Praxis ist häufig die Regelung anzutreffen, dass pro Beschäftigungsjahr ein halbes Nettomonatsgehalt als Abfindung gezahlt wird. Im Rahmen von Sozialplänen sind jedoch auch weit höhere Abfindungsbeträge zu erlangen. Häufig werden dabei nur Gruppen von Arbeitnehmern nach einer Mehrzahl von Komponenten gebildet, die dann jeweils einen einheitlichen, zum Teil erheblichen Abfindungsbetrag erhalten. Das gilt gerade beim Arbeitsplatzabbau großer Unternehmen.

Pfändung als Arbeitseinkommen

Abfindungen anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind in § 850 ZPO nicht ausdrücklich als Arbeitseinkommen genannt. Dort werden nur Abfindungen wegen Wettbewerbsbeschränkungen erfasst. Trotzdem werden nach der herrschenden Meinung Abfindungen von der Pfändung des Arbeitseinkommens erfasst (BGH FoVo 2010, 191; BAG NJW 2015, 107; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 850 Rn 12; Smid, in: Münchner Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 850 Rn 21; Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 850 Rn 5). Dass die Abfindung nach § 850 Abs. 4 ZPO mitgepfändet wird, kann ausdrücklich klargestellt werden:

Pfändungsschutz nach § 850i ZPO

Die Abfindung stellt kein regelmäßig wiederkehrendes Arbeitseinkommen dar, weshalb Pfändungsschutz nicht nach § 850c ZPO gewährt wird, sondern nur nach § 820i ZPO.

 

Hinweis

Das Besondere daran ist, dass nunmehr der Schuldner tätig werden muss, um Pfändungsschutz zu erlangen. Er muss einen gesonderten Antrag stellen.

Werden nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind, gepfändet, so hat das Gericht dem Schuldner auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, wie ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Bei der Entscheidung sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, insbesondere seine sonstigen Verdienstmöglichkeiten, frei zu würdigen. Der Antrag des Schuldners ist insoweit abzulehnen, als überwiegende Belange des Gläubigers entgegenstehen.

Der Unterhaltszeitraum ist zu bestimmen

Nach der Angleichung von § 850c ZPO ist lediglich zu bestimmen, für wie viele Monate der Schuldner auf die Abfindung angewiesen ist, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, wann also wieder mit der Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses gerechnet werden kann. Das ist vor allem eine Frage des Einzelfalls und kann nicht abstrakt beantwortet werden.

 

Hinweis

Ändern sich die ursprünglich angenommenen Voraussetzungen, etwa weil der Schuldner unmittelbar Arbeit findet, so kann das Gericht den pfändungsfreien Betrag nach § 850g ZPO auf Antrag des Gläubigers auch neu festsetzen.

Für den so ermittelten Zeitraum erhält der Schuldner dann die gleichen Beträge pfändungsgeschützt, wie sie sich in einem Arbeitsverhältnis nach § 850c ZPO ergeben würden. Der überschießende Betrag steht dem Schuldner zu.

 

Hinweis

Angesichts des guten Arbeitsmarktes wird der Zeitraum umso geringer ausfallen müssen, je besser der Schuldner ausgebildet ist. Besondere Belange des Gläubigers, die den Zeitraum weiter verkürzen können, sind der eigene Unterhaltsbedarf oder auch die Herkunft der Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung.

Andere Einkünfte des Schuldners nicht vergessen

Der Gläubiger muss sehen und im Rahmen seiner Anhörung gegenüber dem Gericht deutlich machen, dass der Schuldner seinen Unterhaltsbedarf möglicherweise nicht nur aus der Abfindung decken muss, sondern über weiteres Einkommen verfügt oder ALG II erhält (vgl. hierzu LG Essen ZVI 2011, 379; LG Duisburg, 11.6.2012 – 7 T 68/12).

 

Hinweis

Keinen Freigabegrund stellen die Rechtsanwaltskosten für die arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung dar. Eine solche Freistellung lässt sich auch nicht über besondere persönliche oder berufliche Bedürfnisse des Schuldners nach § 850f Abs. 1 ZPO begründen (LG Kiel, 23.2.2017 – 4 T 23/17).

Autor: VRiOLG Frank-Michael Goebel

FoVo 1/2018, S. 8 - 10

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