Verschuldung hat Ursachen. Nicht selten teilt der Schuldner diese Ursachen im Rahmen der schriftlichen, fernmündlichen oder persönlichen Kontaktaufnahme mit. Der nachfolgende Beitrag soll an drei Beispielen zeigen, wie solche Mitteilungen Anhaltspunkte für weitere Forderungsbeitreibungs- oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geben können, obwohl sie auf den ersten Blick die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu belegen scheinen.

 

Fall 1: Der arbeitslose Schuldner

Sie telefonieren Anfang Januar 2012 mit dem Schuldner, der Ihnen mitteilt, dass er mit Ablauf des 30.6.2011 arbeitslos geworden sei. Zuvor habe er monatlich 1.500 EUR brutto verdient. Er möchte damit begründen, dass er nicht in der Lage ist, die Forderung ganz oder auch nur in Raten auszugleichen. Derzeit beziehe er nur Hartz IV. Ein aussichtsloser Fall?

Steuererstattungsansprüche bedenken

Mitnichten ein aussichtsloser Fall. War der Schuldner bis Juli 2011 erwerbstätig und hat auch entsprechende Steuern gezahlt, so kommt nun ein Steuererstattungsanspruch in Betracht. Nach § 32a EStG bleibt nämlich das zu versteuernde Einkommen unterhalb von 8.004 EUR ohne jede Steuerbelastung.

 

Beispiel

Hat der Schuldner einen Bruttolohn von 1.500 EUR monatlich, hätte er im Jahr 2011 1.308 EUR an Steuern (Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag) zahlen müssen, d.h. monatlich 109,00 EUR. Bei einem Bruttolohn von 9.000 EUR ergibt sich dagegen nach Abzug der Sozialversicherungsbeträge ein zu versteuerndes Einkommen unterhalb von 8.004 EUR, so dass der Schuldner keine Steuern zahlen muss, d.h. er hat einen Erstattungsanspruch von 6 × 109 EUR = 654 EUR.

So gehen Sie richtig vor

Auf diesen Steuererstattungsanspruch kann nunmehr der Gläubiger im Wege der Abtretung bei einem kooperativen Schuldner bzw. der Zwangsvollstreckung durch die Beantragung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses mit dem zuständigen Finanzamt am Wohnsitz des Schuldners zugreifen.

 

Hinweis

Beachtet werden muss, dass der Steuererstattungsanspruch erst abgetreten oder gepfändet werden darf, wenn er "entstanden" ist, § 46 Abs. 6 AO. Entstanden ist der Steuererstattungsanspruch aber erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres. Der Steuererstattungsanspruch für das Jahr 2011 ist also erst am 1.1.2012 entstanden. Wird der Schuldner im Laufe des Jahres 2012 arbeitslos, entsteht der Anspruch erst am 1.1.2013.

 

Fall 2: Der Schuldner trennt sich

Der Schuldner gibt im Rahmen der Kontaktaufnahme an, dass er gerade in Scheidung lebe. Er habe bereits den Scheidungsantrag gestellt. Die Situation nehme seine finanziellen Möglichkeiten sehr in Anspruch, da er nun einen eigenen Hausstand unterhalte und er von seinem Ehegatten noch keinen Unterhalt bekomme. So mancher Schuldner wendet auch noch ein, der Ehegatte weigere sich, sich an den Kosten der Hausfinanzierung zu beteiligen, so dass er auch die monatlichen Raten tragen müsse. Zu weiteren Leistungen sei er deshalb im Moment nicht imstande. Was nun?

Die vom Schuldner aufgezeigte Fallkonstellation, die in der Praxis zuweilen auch nur in Teilbereichen anzutreffen ist, eröffnet eine ganze Reihe von Möglichkeiten.

Können Zugewinnausgleichsansprüche entstanden sein?

Die Zugewinngemeinschaft nach § 1363 ff. BGB ist der Regelgüterstand von zwei Ehegatten, greift also immer, wenn diese vertraglich nichts anderes vereinbart haben. In diesem Güterstand bleibt jeder Ehegatte an seinem Vermögen verfügungsberechtigt, mehrt oder mindert es. Am Anfang der Ehe muss deshalb sein Vermögen ebenso festgestellt werden wie am Ende der Ehezeit. Die Differenz stellt den so genannten Zugewinn dar. Endet die Zugewinngemeinschaft anders als durch Tod, etwa mit der Rechtskraft der Scheidung oder – wie in der Praxis häufig – durch eine Änderung des Güterstandes im Rahmen einer zuvor bereits geschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarung –, so kann ein Zugewinnausgleichanspruch nach § 1378 Abs. 1 BGB entstehen. Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten zu.

Auf den richtigen Zeitpunkt kommt es an

Während der Ehezeit ist der Ausgleichsanspruch nach § 1378 Abs. 1 BGB weder vererblich noch abtretbar, was nach § 851 ZPO dazu führt, dass er in dieser Zeit auch nicht pfändbar ist. Mit der Beendigung des Güterstandes ändert sich dies aber nach § 1378 Abs. 3 BGB. Unmittelbar nach der rechtskräftigen Scheidung oder aber ab der notariellen Beurkundung der Scheidungsfolgenvereinbarung kann der Schuldner dem Gläubiger seinen Erstattungsanspruch abtreten oder der Gläubiger diesen pfänden. Wer zu früh kommt, riskiert also, dass seine Vereinbarung bzw. Pfändung unwirksam ist und ins Leere geht.

Das ist bei der Pfändung zu beachten

Bei der Pfändung ist § 852 ZPO zu beachten. Danach darf der Zugewinnausgleichsanspruch erst gepfändet werden, wenn er vertraglich anerkannt oder rechtshängig geworden ist. Der BGH (FoVo 2009, 114 = NJW-RR 2009, 997) hat die Vorschrift, die in gleicher Weise für die Pfändung von Pflichtteilsansprüchen gilt, dahin ausgelegt, dass d...

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