Voraussetzungen der Gerichtsstandsbestimmung

Die Voraussetzungen für eine Gerichtstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Mit Beschl. v. 15.4.2019 hat sich das AG Münster im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt. Das gilt auch für das AG Lippstadt, das durch den Vorlagebeschluss vom 2.5.2019 der Gläubigerin gegenüber zu erkennen gegeben hat, dass es nicht gewillt ist, sich der Sache anzunehmen.

Der Senat ist für die Gerichtsstandbestimmung zuständig, da sich sowohl das AG Münster als auch das AG Lippstadt im Bezirk des OLG befinden, jedoch in verschiedenen Landgerichtsbezirken, so dass das Oberlandesgericht das im Rechtszug zunächst höhere Gericht i.S.v. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist.

Der Wohnsitz ist maßgeblich

Örtlich zuständig ist das AG Münster. Für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist gem. §§ 802, 828 Abs. 1 ZPO das Vollstreckungsgericht ausschließlich zuständig.

Das Vollstreckungsgericht ist nach § 828 Abs. 2 ZPO das AG, bei dem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Damit wird auf § 13 ZPO Bezug genommen, wonach der allgemeine Gerichtsstand einer Person durch ihren Wohnsitz bestimmt wird.

Der Begriff des Wohnsitzes ist in der ZPO nicht bestimmt, sondern §§ 7 ff. BGB zu entnehmen. Wohnsitz ist der Ort, an dem sich jemand ständig niederlässt, in der Absicht, ihn zum räumlichen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen (vgl. Schultzky, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 13 Rn 4 m.w.N.).

Sondersituation der Unterbringung

Ist ein solcher begründet, kommt es davon abweichend auf den tatsächlichen Aufenthaltsort gem. § 20 ZPO nur dann an, wenn sich die Person dort unter Verhältnissen befindet, "die ihrer Natur nach auf einen Aufenthalt von längerer Dauer hinweisen". Darunter kann auch die Strafhaft in einer Justizvollzugsanstalt oder die Unterbringung in einem Heim oder einer psychiatrischen Anstalt fallen (vgl. Schultkzy, a.a.O., § 20 Rn 5 m.w.N.). Grundsätzlich nicht ausreichend ist jedoch die Verbüßung von Untersuchungshaft. Am Haftort besteht mangels "Domizilwillens" in der Regel kein Wohnsitz, da der Beschuldigte bei Aufhebung oder Aussetzung der Vollziehung des Haftbefehls jederzeit an seinen ursprünglichen Wohnsitz zurückkehren kann (vgl. BGH NJW-RR 1996, 1217; Schultzky, a.a.O., § 13 Rn 5 m.w.N.). Erst eine länger andauernde Haft begründet den besonderen Gerichtsstand des § 20 ZPO (vgl. BGH VersR 1997, 900).

Mangelnde längerfristige Unterbringung begründet keinen Wohnsitzwechsel

Ob dies nur für die Vollstreckung von Strafhaft gilt oder darunter auch der Vollzug von Untersuchungshaft bzw. eine einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO fallen kann, ist – soweit ersichtlich – höchstrichterlich noch nicht entschieden, im vorliegenden Fall aber nicht entscheidungserheblich, da von der Gläubigerin nicht vorgetragen worden ist, dass der Schuldner längerfristig untergebracht war. Aus dem von ihr vorgelegten Zeitungsartikel ergibt sich, dass der Unterbringungshaftbefehl am 9.5.2019 aufgehoben worden ist und der Schuldner seit dem 10.5.2019 wieder unter seiner ursprünglichen Anschrift in Münster wohnhaft ist. Es liegen daher keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er seinen Wohnsitz aufgegeben hat.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Zuständigkeitsbestimmung: Erlass des PfÜB

Zudem ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts nach § 828 Abs. 2 ZPO nicht derjenige des Eingangs des Antrags, sondern der durch die erste Vollstreckungshandlung gekennzeichnete Beginn der Zwangsvollstreckung, hier also der Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (vgl. OLG München, Beschl. v. 23.6.2010 – 31 AR 34/10, Rn 4 m.w.N.).

Da es dazu noch nicht gekommen ist, wäre das AG Münster also auch dann zuständig, wenn der Schuldner seinen Wohnsitz während seiner Unterbringung aufgegeben hätte, da er jedenfalls nunmehr wieder unter seiner alten Anschrift wohnhaft ist.

Keine Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses

Die Zuständigkeit des AG Lippstadt ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Beschluss des AG Münster vom 15.4.2019. Verweisungsbeschlüsse in Erkenntnisverfahren sind zwar nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Für eine Verweisung in diesem Sinne ist aber im Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht gem. § 828 Abs. 3 S. 1 ZPO kein Raum (vgl. OLG Zweibrücken NJW-RR 2000, 929; OLG München, Beschl. v. 23.6.2000, a.a.O., Rn 3). Demnach handelt es sich nicht um eine Verweisung im technischen Sinne, sondern eine Abgabe, die für das AG Lippstadt gem. § 828 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht bindend ist.

Ausschließliche Zuständigkeit

Demnach ist das AG Münster als Vollstreckungsgericht gem. §§ 802, 828 Abs. 2 ZPO für (ausschließlich) zuständig zu erklären. Der Beschluss des AG Münster vom 15.4.2019 ist ebenso wie der Beschluss des AG Lippstadt vom 2.5.2019 jedenfalls dadurch gegenstandslos geworden, dass der Schuldner nunmehr wieder in Münster wohnt. Das ist im Tenor klargestell...

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