Leitsatz

Der Auszug aus der Insolvenztabelle kann den Nachweis einer qualifizierten Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung führen und damit Grundlage einer privilegierten Pfändung nach § 850f Abs. 2 ZPO sein.

LG Essen, Beschl. v. 7.4.2017 – 10 T 103/17

1 I. Der Fall

Unerlaubte Handlung tituliert und festgestellt

Der Gläubiger begehrt mit seinem Antrag vom 9.2.2017 die Feststellung der verschärften Pfändung aus § 850f Abs. 2 ZPO gegen den Schuldner. Der Gläubiger vollstreckt aus einer Forderung aus einer unerlaubten Handlung, die zunächst im Vollstreckungsbescheid tituliert worden war. Diese Forderung wurde in dem über das Vermögen des Schuldners geführten Insolvenzverfahren angemeldet und – als Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung – zur Tabelle festgestellt. Das Insolvenzverfahren ist nach rechtskräftiger Versagung der Restschuldbefreiung beendet.

AG sieht den Nachweis nicht geführt

Das AG hat den Antrag zurückgewiesen, da sich aus dem vorgelegten Titel, der vollstreckbaren Ausfertigung der Insolvenztabelle, nicht ergebe, dass der Zwangsvollstreckung eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zugrunde liege. Diese Voraussetzung müsse aber aus dem Titel selbst erkennbar sein. Dies sei jedoch weder bei einem Vollstreckungsbescheid noch der Insolvenztabelle der Fall. Hiergegen wendet sich der Gläubiger mit seiner sofortigen Beschwerde.

2 II. Die Entscheidung

Das LG widerspricht dem AG

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann der Gläubiger die Festsetzung des Pfandfreibetrags unter Berücksichtigung von § 850f Abs. 2 ZPO beantragen, nachdem er nachgewiesen hat, dass seine Forderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung stammt.

Anforderungen an den Nachweis beim VB

Zwar hat das AG zutreffend ausgeführt, dass der Vollstreckungstitel den qualifizierten Schuldgrund des § 850f Abs. 2 ZPO ausweisen muss und dass ein Vollstreckungsbescheid als Vollstreckungstitel nicht ausreicht, selbst wenn er eine Anspruchsgrundlage nennt, die eine vorsätzliche unerlaubte Handlung voraussetzt. Denn diese rechtliche Einordnung beruht allein auf gerichtlich nicht überprüfbaren Angaben des Gläubigers (BGH NW 2005, 1663; BGH NJW 2003, 515; Musielak/Voit/Becker, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 850f Rn 10 m.w.N.; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 850f Rn 9). Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn der Gläubiger dem Vollstreckungsgericht eine Urkunde vorlegt, in welcher der Schuldner einer solchen privilegierten Pfändung zustimmt (BGH NJW 2003, 515; Musielak/Voit/Becker, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 850f Rn 10).

Hier aber: Auszug aus der Insolvenztabelle

Hier liegt der Fall indes anders, da der Gläubiger nicht (mehr) aus dem Vollstreckungsbescheid vollstreckt, sondern aus der Insolvenztabelle. Gem. § 201 Abs. 2 InsO kann der Gläubiger aus einer in der Insolvenztabelle festgestellten Forderung, die vom Schuldner im Prüftermin nicht bestritten worden ist, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung wie aus einem vollstreckbaren Urteil betreiben (vgl. hierzu: BGH NJW 2006, 2922; LG Düsseldorf JurBüro 2008, 661; LG Heilbronn Rpfleger 2005, 98; MüKo-ZPO/Smid, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 850f Rn 18).

Die Rechtskraft der Feststellung zur Tabelle erstreckt sich dabei auch auf den Nachweis i.S.d. § 850f Abs. 2 ZPO, weswegen der Tabellenauszug – anders als der Vollstreckungsbescheid – einen Titel mit dem Vollstreckungsprivileg nach § 850f Abs. 2 ZPO darstellt. Dem steht nicht entgegen, dass auch bei der Forderungsprüfung im Insolvenzverfahren eine richterliche Schlüssigkeitsprüfung – wie im Rahmen des Mahnverfahrens – nicht erfolgt.

Denn anders als im Mahnverfahren muss der Gläubiger im Insolvenzverfahren nach § 174 Abs. 2 InsO Tatsachen angeben, aus denen sich nach seiner Einschätzung ergibt, dass seiner Forderung eine vorsätzliche unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt. Dadurch ist dem Schuldner eine Prüfung der Voraussetzungen möglich. Er hat zudem die Möglichkeit, den Rechtsgrund der Forderung im Prüfungstermin zu bestreiten, d.h. er kann allein der Einordnung der Forderung als solcher aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung widersprechen (BGH NJW 2006, 2922). Hinzu kommt, dass das Insolvenzgericht bei der Anmeldung einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nach § 175 Abs. 2 InsO den Schuldner über die Rechtsfolgen des § 302 InsO sowie die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen hat.

Tabellenauszug ist nicht mit VB vergleichbar

Vor diesem Hintergrund kann das Verfahren zur Erlangung eines Tabellenauszuges als Titel nicht mit dem Erwirken eines Vollstreckungsbescheides gleichgesetzt werden, auch wenn die Forderung, die zur Insolvenztabelle angemeldet wird, ursprünglich in einem Vollstreckungsbescheid tituliert worden war. Denn für einen Vollstreckungsbescheid ist weder ein Tatsachenvortrag erforderlich noch erfolgt eine inhaltliche Prüfung. Ist ein Vollstreckungsbescheid erlassen, wird dieser nach Anmeldung im Insolvenzverfahren und Feststellung zur Tabelle verbraucht bzw. "aufgezehrt"...

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