Zu Recht blieb der Gläubiger so beharrlich und erreichte so die Feststellung des LG, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls gemäß § 802g ZPO vorliegen.

Allgemeine Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor

Die Zwangsvollstreckung darf nach §§ 750, 794, 795 ZPO beginnen, wenn die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, d.h. ein Vollstreckungstitel, soweit erforderlich eine Vollstreckungsklausel und letztlich der Nachweis der Zustellung. Im konkreten Fall war an diesen Voraussetzungen nicht zu zweifeln, weil eine vollstreckbare Ausfertigung des Zwangsgeldbeschlusses und eine Bescheinigung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle gemäß § 169 Abs. 1 ZPO über die Zustellung vorlag. Die Bescheinigung nach § 169 Abs. 1 ZPO hielt das LG als Nachweis für die Zustellung des Titels für ausreichend (vgl. Zöller, 31. Aufl., Rn 17 zu § 750 ZPO).

 

Hinweis

Hier ist Vorsicht geboten. Die Zustellbescheinigung bringt nur zunächst den Nachweis der ordnungsgemäßen Zustellung. Beanstandet der Vollstreckungsschuldner indes, dass die Zustellung nicht oder nicht ordnungsgemäß erfolgt sei, so darf dieser Einwand nicht alleine unter Hinweis auf den Zustellungsvermerk zurückgewiesen werden. Die ordnungsgemäße Zustellung hat der Vollstreckungsgläubiger in diesem Fall durch Vorlage der Zustellungsurkunde bzw. einer ihm aus der Akte des Erkenntnisverfahrens davon erteilten Abschrift nachzuweisen (OLG Köln InVo 1996, 246 = Rpfleger 1997, 31). Das Risiko, dass die Zustellungsurkunde als Nachweis nicht mehr vorhanden ist, trägt der Gläubiger.

Nachdem der Schuldner zum Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft nicht erschienen ist, lagen grundsätzlich die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls nach § 802g ZPO vor.

Ersatzzustellung: der Wohnungsbegriff

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts wurde die Schuldnerin auch ordnungsgemäß nach § 802f Abs. 1, 3, 4 ZPO geladen. Richtig ist aus Sicht des LG, dass eine Ersatzzustellung nach den §§ 192 Abs. 1, 191, 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur in der Wohnung des Zustellungsadressaten möglich ist.

 

Hinweis

Die Problematik, ob auch in einer fremden Wohnung eine Zustellung erfolgen kann, stellt sich nur, wenn der Schuldner dort nicht angetroffen wird. Wird er selbst angetroffen und ihm das zuzustellende Schriftstück übergeben, handelt es sich um eine originäre Zustellung an den Adressaten.

Wohnung verlangt weniger als § 7 BGB

Erforderlich ist insoweit jedoch nicht, dass der Adressat unter der Zustellungsanschrift seinen Wohnsitz i.S.d. § 7 BGB hat. Erforderlich und ausreichend für das Vorliegen einer Wohnung i.S.d. § 178 ZPO ist vielmehr, dass der Zustellungsadressat in den Räumen zum Zeitpunkt der Zustellung tatsächlich lebt, d.h. seinen räumlichen Lebensmittelpunkt hat, und er diese regelmäßig aufsucht. Es kann sich dabei auch nur um einen vorübergehenden Aufenthalt handeln, so dass als Wohnung auch Hotelzimmer oder ein Wohnwagen in Betracht kommen (Zöller-Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 178 Rn 4; Beck'scher OK-ZPO, Stand 1.12.2015, Rn 3 zu § 178; MüKo-ZPO, 4. Aufl., Rn 5 zu § 178 ZPO). Insbesondere genügt für das Vorliegen einer Wohnung auch, dass sich der Adressat in den Räumen vorübergehend zu Besuch aufhält (MüKo-ZPO, 4. Aufl., Rn 5 zu § 178 ZPO).

 

Hinweis

Immer wieder haben Gläubiger mit dem Problem zu kämpfen, einen Vollstreckungstitel nicht zustellen zu können, so dass auch die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nicht geschaffen werden können. Die in der Kommentarliteratur geteilte Sichtweise des LG gibt hier neue Möglichkeit, insbesondere wenn der Gläubiger in Erfahrung bringen kann, wo z.B. die Lebensgefährtin oder der Lebensgefährte des in Trennung lebenden Schuldners/Schuldnerin wohnt.

Im konkreten Einzelfall war durch das Gerichtsvollzieherprotokoll nachzuweisen, dass der Schuldner zumindest besuchsweise unter der Zustellungsadresse wohnte. Die Nichte hatte bestätigt, dass der Schuldner "zur Zeit" bei ihr wohnt.

"Erwachsener Familienangehöriger" verlangt keine Volljährigkeit

Bei der Nichte, an die die Gerichtsvollzieherin das Schreiben übergeben hat, handelte es sich nach dem LG um einen erwachsenen Familienangehörigen i.S.d. § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Volljährigkeit ist im Rahmen des § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht erforderlich. Erwachsen i.S. dieser Vorschrift ist vielmehr schon, wer nach seinem Alter und seiner geistigen Entwicklung erkennbar in der Lage ist, den Zweck einer Zustellung und die Verpflichtung, die Sendung dem Adressaten auszuhändigen, zu erkennen (Zöller-Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 178 Rn 13). Wie alt genau die Nichte war, an die das Schreiben übergeben wurde, lässt sich der Zustellungsurkunde und dem Schreiben der Gerichtsvollzieherin nicht entnehmen. Unabhängig davon hat die Gerichtsvollzieherin aber angegeben, sie habe an der Reife der Person, an die sie das Schriftstück übergeben hat, keinen Zweifel gehabt. Das hält das LG als Nachweis dafür, dass die Person als "erwachsen" i.S.d. § 178 Abs. 1, Nr. 1 ZPO einzustufen ist, für ausreichend.

FoVo 11/2016, S....

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