Leitsatz

Das Eigengeld, das durch Gutschriften von Arbeitsentgelt gebildet wird, welches der arbeitspflichtige Strafgefangene für die Ausübung der ihm zugewiesenen Arbeit erhält, ist pfändbar; die Pfändungsgrenzen der §§ 850c, 850f, 850k ZPO finden keine Anwendung.

BGH, 20.6.2013 – IX ZB 50/12

1 I. Der Fall

SU hat Eigengeldkonto aus Arbeitsleistung

Am 28.6.2011 eröffnete das Insolvenzgericht auf Eigenantrag das Insolvenzverfahren über das Vermögen des sich in Strafhaft befindenden SU und bestellte einen Treuhänder. Der SU erhält ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 240 EUR. Davon werden ihm 102 EUR monatlich auf seinem Hausgeldkonto gutgeschrieben. Das Überbrückungsgeld (§ 52 JVollzG BaWü) ist angespart. Die weiteren Teile des Arbeitsentgelts werden dem SU auf dem Eigengeldkonto gutgeschrieben und fließen zur Insolvenzmasse.

SU will Freistellung des Arbeitseinkommens

Der SU macht wegen Ausgangs und Arbeitssuche einen erhöhten Bedarf geltend. Deswegen hat er beantragt, ihm auch das Eigengeld pfändungsfrei zu belassen. Das Insolvenzgericht hat den Antrag zurückgewiesen, das LG hat auf die sofortige Beschwerde angeordnet, dass dem SU von dem Drittschuldner neben dem Hausgeld von seinem monatlichen Arbeitsentgelt weitere 138 EUR pfandfrei zu belassen seien. Hiergegen wendet sich der Treuhänder mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen will.

2 II. Die Entscheidung

Anspruch auf Arbeitsentgelt ist ­Gutschriftanspruch

Schon der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts ist unrichtig. Der Anspruch eines Strafgefangenen auf Arbeitsentgelt ist insgesamt unpfändbar und unterfällt daher nicht dem Insolvenzbeschlag (§ 36 Abs. 1 InsO, § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB), ohne dass es einer Schutzanordnung des Vollstreckungsgerichts bedürfte. Denn der Anspruch des Strafgefangenen ist auf Gutschrift und nicht auf Barauszahlung gerichtet. Durch die Gutschrift des Arbeitsentgelts auf dem Hausgeldkonto (drei Siebtel) und dem Eigengeldkonto (vier Siebtel) ist der Anspruch des Strafgefangenen gegen den Träger der Haftanstalt erloschen, § 362 Abs. 1 BGB analog.

Nach Gutschrift kein Arbeitsentgelt mehr

Der Anspruch auf Auszahlung des gutgeschriebenen Eigengeldes kann demgegenüber grundsätzlich nach § 829 ZPO gepfändet werden und unterliegt deswegen dem Insolvenzbeschlag des § 35 Abs. 1 InsO, sofern das nach § 52 Abs. 1 JVollzGB BW III aus den Bezügen des Strafgefangenen zu bildende Überbrückungsgeld angespart ist.

Kein Pfändungsverbot nach § 851 ZPO

Das Pfändungsverbot des § 851 ZPO steht nicht entgegen, weil der Anspruch – soweit nicht § 52 Abs. 4 JVollzGB BW III, § 51 Abs. 4 StVollzG eingreift – übertragbar ist. Soweit das Eigengeld durch Gutschriften von Arbeitsentgelt gebildet worden ist, das der arbeitspflichtige Strafgefangene für die Ausübung der ihm zugewiesenen Arbeit erhält, finden die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung. Dies hat der BGH für das Strafvollzugsgesetz des Bundes bereits entschieden (BGH NJW 2004, 3714 = InVo 2005, 16).

Entscheidung für den Bund gilt auch in den Ländern

Nichts anderes gilt für die seit dem 1.1.2010 in Baden-Württemberg geltende Gesetzeslage unter dem Justizvollzugsgesetzbuch Baden-Württemberg. Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006 (BGBl I 2006, S. 2034; Föderalismusreformgesetz 2006) wurde der Strafvollzug der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes (Art. 72 GG) entzogen und der Kompetenz der Ländergesetzgebung (Art. 70 Abs. 1 GG) zugeordnet. Danach sind die Länder befugt, eigene Strafvollzugsgesetze zu erlassen. Von dieser Befugnis hat das Land Baden-Württemberg zum 1.1.2010 durch das Justizvollzugsgesetzbuch Gebrauch gemacht. Der Strafvollzug und der Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln sind in Buch III geregelt. Dort wird auf Regelungen des Strafvollzugsgesetzes zurückgegriffen. Insbesondere die Regelungen zum Arbeitsentgelt (§ 49 JVollzGB BW III), zum Haus-, Überbrückungs- und Eigengeld (§§ 52, 53, 63 JVollzGB BW III) stimmen mit den entsprechenden Regelungen des Strafvollzugsgesetzes des Bundes im Wesentlichen überein.

Kein Problem bei der Gesetzgebungskompetenz

Der Anspruch eines baden-württembergischen Strafgefangenen gegen den Träger der Justizvollzugsanstalt auf Auszahlung seines Eigengeldguthabens nach § 829 ZPO ist daher pfändbar, soweit er nicht in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem zu bildenden Überbrückungsgeld und dem tatsächlich vorhandenen Überbrückungsgeld nach § 52 Abs. 4 Satz 2 JVollzGB BW III unpfändbar ist. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmung aus Gründen der Gesetzgebungskompetenz bestehen nicht. Denn das Land hat an dieser Stelle nicht die Bundeskompetenz für das Zwangsvollstreckungsrecht in Anspruch genommen, sondern den öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruch inhaltlich ausgestaltet, der nach der Föderalismusreform seiner eigenen Gesetzgebungskompetenz unterliegt.

§ 850c ZPO gilt unmittelbar nicht …

Auf das pfändbare Eigengeld finden die Pfändungsfr...

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