LG folgt dem Gerichtsvollzieher

Der Vollstreckungsauftrag war nach Ansicht des LG unzulässig, weil er mit Einschränkungen versehen ist, die das Gesetz nicht zulässt. In Rechtsprechung und Literatur ist tatsächlich umstritten, ob ein Gläubiger im Verfahren über die Erteilung einer Vermögensauskunft auf die Übersendung des früheren Vermögensverzeichnisses gemäß § 802d ZPO verzichten bzw. den Zwangsvollstreckungsauftrag beschränken kann mit der Folge, dass der GV von der kostenpflichtigen Übersendung des Vermögensverzeichnisses absehen muss, oder ob ein einschränkender Antrag auf Übersendung des Vermögensverzeichnisses nicht zulässig ist.

Wortlaut, Gesetzesbegründung und Reformabsichten

Das LG stützt seine Ansicht einerseits auf den Wortlaut des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO, der erkennen lasse, dass eine Eingriffsmöglichkeit des Gläubigers nicht in Betracht komme. Die Formulierung "andernfalls leitet … zu" zeige, dass es einen Spielraum für eine Entscheidungsmöglichkeit der am Vollstreckungsverfahren Beteiligten nicht gibt. Die zwingende Folge der Übersendung des Vermögensverzeichnisses ohne eine Dispositionsmöglichkeit des Gläubigers ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung zu § 802d ZPO (BT-Drucks 16/10069, S. 26, so auch LG Münster DGVZ 2014, 201). Diese Auslegung werde durch die geplante Änderung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO nach dem Entwurf des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer Vorschriften (EuPfVODG) der Bundesregierung vom 17.2.2016 (BT-Drucks 18/7560) bestätigt. Danach soll "zur Klärung der in der Praxis streitigen Frage, ob der Gläubiger auf die Zuleitung des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses verzichten kann", eindeutig geregelt werden, dass ein Verzicht des Gläubigers auf die Zuleitung unbeachtlich ist.

 

Hinweis

Dass man all das auch anders sehen kann, haben das OLG Hamm (v. 10.2.2015 – 25 W 277/14), das OLG Köln (DGVZ 2016, 13), das KG Berlin (DGVZ 2015, 207) und das OLG Schleswig (DGVZ 2015, 88) ebenso wie eine Reihe von Landgerichten begründet.

Angeblich sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung dafür

Auch Sinn und Zweck der Vorschrift und das System des neuen Schuldnerverzeichnisses sprechen für eine zwingende Übersendung der schon vorliegenden Vermögensauskunft. Das neue Schuldnerverzeichnis soll als Auskunftsverzeichnis den Gläubigern aktuelle Kenntnisse über die Vermögensverhältnisse eines Schuldners verschaffen. Seine verstärkte Bedeutung liegt in der verbesserten Möglichkeit der Informationsbeschaffung für alle Gläubiger eines Schuldners bereits zu Beginn ihres jeweiligen Vollstreckungsverfahrens und insbesondere in dem Schutz der Gläubigerschaft vor Geschäften mit zahlungsunfähigen und zahlungsunwilligen Schuldnern. Den Gläubigern sollen weitere Erkenntnisse über den Schuldner durch ergänzende Fremdauskünfte ermöglicht werden. Ziel des Gesetzes war somit – neben dem Schutz des einzelnen Gläubigers-, in erster Linie ein verbesserter Schutz des Rechtsverkehrs. Die Blickrichtung war mithin nicht der einzelne Gläubiger allein, sondern die Gläubigerschaft insgesamt, das heißt der Rechtsverkehr im Allgemeinen (vgl. BT-Drs 16/10069, S. 20). Dass diese Zielrichtung im Vordergrund der gesetzlichen Regelung steht, wird bestätigt durch die Begründung der geplanten Änderung des § 802d ZPO.

Parteiherrschaft sei eingeschränkt

Die Parteiherrschaft des Gläubigers sei durch diese gesetzlich vorgegebene Alternativhandlungsanweisung an den GV wirksam eingeschränkt, begründet aus dem Gesetzeszweck des verbesserten Schutzes des Rechtsverkehrs. Die grundsätzlich gegebene Dispositionsfreiheit des Gläubigers wird durch die gesetzlich vorgegebene Folge nicht wesentlich tangiert. Die gegenteilige Ansicht des OLG Hamm und des OLG Schleswig (jeweils a.a.O.) überzeuge nicht, da sie allein auf die Interessen des einzelnen Gläubigers abstelle.

 

Hinweis

In dieser Sicht überzeugt wiederum weder das LG Schwerin noch der Reformgesetzgeber. Parteiherrschaft und Allgemeininteresse lassen sich nämlich gut miteinander in Einklang bringen, wenn für die Eintragung im Schuldnerverzeichnis schlicht auf den weiteren Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft in der Sperrfrist abgestellt wird und nicht – wie heute – auf die Zuleitung des Vermögensverzeichnisses an den weiteren Antragsteller.

Standardisierung als Gegenargument

Auch die in den Zwangsvollstreckungsverfahren bestehende Standardisierung des Verfahrensablaufes spreche gegen die Einräumung einer Eingriffsmöglichkeit des Gläubigers in das von dem GV alternativ vorzunehmende Handeln gemäß § 802d Abs. 1 ZPO. Hinzu komme, dass in dem Begehren eines Gläubigers, die Übersendung des hinterlegten Vermögensverzeichnisses nur bis zu einem bestimmten Alter zu wünschen, keine echte rechtliche Bedingung im Sinne des § 158 BGB liegt. Eine Bedingung in diesem Sinne ist eine Bestimmung, die die Rechtswirkung eines Geschäftes oder Antrages von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängig macht. Das Alter eines Vermögensverze...

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