Leitsatz

Der Erfüllungseinwand des Schuldners ist grundsätzlich auch im Verfahren der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO zur Durchsetzung eines für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs zu berücksichtigen.

BGH, 6.6.2013 – 1 ZB 56/12

1 I. Der Fall

Teilschiedsspruch zur Auskunftserteilung

Die Parteien sind Rechtsanwälte einer Rechtsanwaltssozietät. Sie haben im Sozietätsvertrag eine Schiedsvereinbarung getroffen und es ist in der Folge ein (Teil-) Schiedsspruch ergangen, wonach – näher bezeichnete – Auskünfte über den Bestand sämtlicher Bankkonten und Buchhaltungskonten der Rechtsanwaltssozietät zu erteilen sind. Das OLG hat den Teil-Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt.

Vollstreckungsantrag vs. Erfüllungseinwand

Der Gläubiger hat beantragt, gegen den Schuldner wegen Nichterteilung der Auskünfte nach § 888 ZPO Zwangsmittel festzusetzen. Der Schuldner ist dem entgegengetreten und hat Erfüllung der Auskunftspflicht eingewandt. Das OLG hat dem Antrag ohne Klärung des streitigen Erfüllungseinwandes stattgegeben, da er im Verfahren der Zwangsvollstreckung nach §§ 887, 888 ZPO nicht zu berücksichtigen sei; die – weit auszulegende – Schiedsvereinbarung umfasse auch den Erfüllungseinwand.

2 II. Die Entscheidung

BGH folgt dem OLG nicht

Der Erfüllungseinwand des Schuldners ist grundsätzlich auch im Verfahren der Zwangsvollstreckung nach §§ 887, 888 ZPO aus einem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch zu berücksichtigen.

Trotz § 767 ZPO wird der Einwand berücksichtigt

Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Schuldner nicht nur im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO, sondern auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 887 ZPO mit seinem Einwand zu hören, der vollstreckbare Anspruch sei erfüllt (BGH JurBüro 2009, 662; BGH NJW-RR 2011, 470). Das gilt gleichermaßen für das – hier in Rede stehende – Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO.

Für die Prüfung des Erfüllungseinwands in Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO statt erst bei der Vollstreckungsgegenklage kann die Prozessökonomie sprechen. Eine Beweiserhebung über die Einwendungen des Schuldners ist in beiden Verfahren möglich und liegt stets in den Händen des Prozessgerichts. Dieses ist im Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO ohnehin grundsätzlich verpflichtet, Beweis zu erheben. Das Vollstreckungsverfahren würde durch die Verweisung des Schuldners auf den Weg der Vollstreckungsgegenklage auch nicht beschleunigt. Bei Erhebung der Vollstreckungsgegenklage müsste dem Schuldner unter Umständen Vollstreckungsaufschub nach § 769 ZPO gewährt werden und würde das Verfahren angesichts der einzuhaltenden Fristen letztlich verzögert. Die Frage, ob die vom Schuldner unstreitig vorgenommenen Handlungen dem entsprechen, was der Titel ihm gebietet, kann das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht aufgrund seiner Kenntnis vom Inhalt des Rechtsstreits zudem am ehesten entscheiden (vgl. BGHZ 161, 67, 72 f.).

Schiedsvereinbarung stellt keine Sperre dar

Der Erfüllungseinwand des Schuldners ist im Zwangsvollstreckungsverfahren nach §§ 887, 888 ZPO grundsätzlich auch dann zu berücksichtigen, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus einem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch betreibt. Nach der Rechtsprechung des BGH sind sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch zuerkannten Anspruch innerhalb des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs (vgl. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO) zulässig, soweit auf sie eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte (BGH NJW-RR 2008, 659; BGH NJW-RR 2011, 213 m.w.N.). Es wäre nicht sinnvoll, wenn der Schuldner in solchen Fällen die Vollstreckbarerklärung hinnehmen und wegen seiner Einwendungen einen neuen Rechtsstreit nach § 767 ZPO anhängig machen müsste; vielmehr ist es im Interesse der Verfahrenskonzentration geboten, im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung Einwendungen zuzulassen, die an sich zum Anwendungsbereich der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO gehören (BGH NJW-RR 2008, 659 Rn 31 m.w.N.).

Wegen des Schiedsverfahrens keine Sachnähe, aber …

Mangels Vorbefassung hat das OLG keine Kenntnis vom Streitstoff, so dass dies nicht für die Berücksichtigung des Erfüllungseinwandes im Vollstreckungsverfahren spricht. Allerdings sprechen andere Gründe dafür:

So hängt die Vollstreckung gemäß § 887 ZPO schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift davon ab, dass der Schuldner seine Verpflichtung zur Vornahme einer (vertretbaren) Handlung nicht erfüllt. Der Wortlaut des § 888 ZPO knüpft an den des § 887 ZPO an.
Die Vollstreckung nach § 888 ZPO setzt daher gleichfalls voraus, dass der Schuldner seine – auf die Vornahme einer (nicht vertretbaren) Handlung gerichtete – Verpflichtung nicht erfüllt.
Dass der Erfüllungseinwand in Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO als erheblich anzusehen sein soll, ergibt sich ferner aus der Begründung des Regierungsentwurfs zur Neufassung der Kostenvorschrift des § 891 Satz 3 ZPO durch die 2. Zwangsvollstreckungsnovelle BGBl I 1997, S. 3039). Danach soll diese Neufassung der Möglichkeit Rechnung tragen, dass Vollstreckun...

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