Leitsatz

Beantragt ein Rechtsanwalt im Auftrag des Gläubigers den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, mit dem Forderungen des Schuldners gegen drei Drittschuldner gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen werden sollen, bezieht sich seine Tätigkeit auf drei Gegenstände. Eine Zusammenrechnung der Gegenstandswerte kommt nicht in Betracht, soweit die Gegenstände wirtschaftlich identisch sind.

BGH, 10.3.2011 – VII ZB 3/10

1 I. Der Fall

Vollstreckungsforderung 900 EUR

Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung. Auf den Antrag ihres Rechtsanwalts hat das AG einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) erlassen, mit dem die angeblichen Forderungen der Schuldnerin gegen drei Drittschuldnerinnen aus Mietverträgen über einzeln benannte Objekte gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen worden sind. Die zu vollstreckende Forderung setzt sich aus der Hauptforderung, Zinsen und den bis zur Antragstellung entstandenen Vollstreckungskosten (insgesamt 910,99 EUR) sowie den sich aus diesem Betrag ergebenden Anwaltskosten für die Antragstellung zusammen. Die Gläubigerin hat diese Kosten mit 68,04 EUR beziffert.

Gegenstandswert bei PfÜB gegen drei Drittschuldner?

Sie legt dabei den dreifachen Forderungswert (2.732,97 EUR) und die sich daraus ergebende Gebühr von 189 EUR zugrunde. Die 0,3-fache Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3309 beträgt danach 56,70 EUR, die Auslagenpauschale von 20 % nach RVG VV Nr. 7002 11,34 EUR. Das AG hat diese Kosten auf 30,60 EUR gekürzt und den weiter gehenden Antrag der Gläubigerin auf Erlass des PfÜB zurückgewiesen. Es hat nur den einfachen Forderungsbetrag von 910,99 EUR angesetzt. Die sofortige Beschwerde vor dem LG blieb erforderlich.

2 II. Die Entscheidung

BGH entscheidet gegen das Gebühreninteresse des RA

Das Beschwerdegericht geht davon aus, dass es sich bei der Pfändung und Überweisung der Forderungen der Schuldnerin gegen die drei Drittschuldnerinnen aufgrund eines Vollstreckungsauftrags um eine Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne handelt und dass der Rechtsanwalt der Gläubigerin die Verfahrensgebühr daher nur einmal beanspruchen kann. Das ist nicht zu beanstanden.

Was ist eine Angelegenheit?

Grundsätzlich bilden die gesamten zu einer bestimmten Vollstreckungsmaßnahme gehörenden, miteinander in einem inneren Zusammenhang stehenden Einzelmaßnahmen von der Vorbereitung der Vollstreckung bis zur Befriedigung des Gläubigers oder bis zum sonstigen Abschluss der Vollstreckung dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit, § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG. Dabei stehen nur diejenigen Einzelmaßnahmen in einem inneren Zusammenhang, welche die einmal eingeleitete Maßnahme mit demselben Ziel der Befriedigung fortsetzen (BGH NJW 2004, 1101; BGH NJW-RR 2005, 78). Der innere Zusammenhang ist vorliegend zu bejahen, da die Vollstreckung zwar in mehrere Vermögensgegenstände der Schuldnerin stattfindet, diese aber gleichartig sind, derselben Art des Vollstreckungszugriffs – der Forderungspfändung – unterliegen und die Gläubigerin aufgrund eines Vollstreckungsauftrags einmal in Höhe der titulierten Forderung einschließlich der Nebenforderungen Befriedigung erlangen will.

Eine Angelegenheit, aber drei Gegenstände

Das Beschwerdegericht verkennt auch nicht, dass eine Angelegenheit mehrere Gegenstände umfassen kann. Entgegen seiner Annahme liegen jedoch drei Gegenstände vor und nicht nur einer. Der Gesetzgeber hat den Begriff des gebührenrechtlichen Gegenstandes inhaltlich nicht näher bestimmt. Er bezeichnet das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Nach diesem Maßstab bezog sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts der Gläubigerin auf drei Rechtsverhältnisse. Er ließ drei Forderungen gegen drei verschiedene Drittschuldnerinnen pfänden und zur Einziehung überweisen. An jeder dieser Forderungen entstand ein Pfändungspfandrecht zugunsten der Gläubigerin. Jede Forderung haftet selbstständig und in voller Höhe für die Forderung der Gläubigerin. Die zwischen der Gläubigerin und den Drittschuldnerinnen entstandenen Rechtsbeziehungen sind unabhängig voneinander und können sich unterschiedlich entwickeln. Nichts anderes folgt für den Gegenstandsbegriff aus der Erwägung des Beschwerdegerichts, dass es um die Durchsetzung einer Forderung von 910,99 EUR geht, deren Höhe durch die Anzahl der Drittschuldner nicht beeinflusst wird, und dass die Gläubigerin nur einmal in dieser Höhe Befriedigung erlangen kann. Die Forderung war Anlass dafür, dass der Rechtsanwalt der Gläubigerin die Zwangsvollstreckung betreibt, sie war aber nicht Gegenstand seiner Tätigkeit. Diese bezog sich nicht auf die Forderung der Gläubigerin, sondern auf die Pfändung der Forderungen der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerinnen.

Wert des Gegenstandes = Gesamtforderung

Das RVG bewertet den einzelnen Gegenstand in der Zwangsvollstreckung – soweit hier von Interesse – nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderungen (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 HS 1 RVG) oder, wenn ein bestimm...

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