Zahlungs- und Freistellungsanspruch

Es gehört mittlerweile zu den Klassikern, dass Bevollmächtigte von Schuldnern einwenden, die Rechtsverfolgungskosten könnten nicht verlangt werden, weil diese seitens des Gläubigers noch nicht an den Rechtsdienstleister gezahlt worden sind. Diese Auffassung ist falsch und dient meist nur der Verfahrensverzögerung. Das hat das AG Frankfurt richtig erkannt.

Bei dem Vertrag mit einem Gläubiger und einem Inkassodienstleister handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter, §§ 675, 611 BGB. Danach ist vorbehaltlich abweichender vertraglicher Bestimmungen die Vergütung nach § 614 S. 1 BGB nach der Leistung der Dienste zu entrichten. Zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Hauptforderung wie der Nebenforderungen sind die Rechtsverfolgungskosten, deren Erstattung verlangt wird, also regelmäßig noch nicht fällig. Das hat zugestandenermaßen immer wieder die Frage aufgeworfen, ob dem Gläubiger lediglich ein Freistellungs- oder auch ein Zahlungsanspruch zusteht. Dies ist aber längst höchstrichterlich entschieden worden und entspricht einhelliger Literaturmeinung. Nicht nur aus pragmatischen Gründen und zur Beschleunigung des Einziehungsprozesses, sondern auch aus Rechtsgründen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Gläubiger nicht nur einen Freistellungsanspruch, sondern unmittelbar einen Zahlungsanspruch hat, wenn der Schuldner den Ausgleich der Rechtsverfolgungskosten verweigert oder er unter Fristsetzung hierzu fruchtlos aufgefordert wurde (BGH, Urt. v. 9.7.2015 – I ZR 224/13, Rn 34, zitiert nach juris; OLG Hamm, Urt. v. 23.10.2012 – 4 U 134/12; OLG Frankfurt, Urt. v. 23.11.2011 – 6 U 49/11; Krüger, in: MüKo-BGB, § 257 Rn 5; Musielak, ZPO, 16. Aufl., § 256 Rn 29; Weber, NJW 2015, 1841). Danach ist der Geschädigte fortgesetzt dem Vergütungsanspruch ausgesetzt und es ist auch nicht einzusehen, den Schädiger in anderer Weise zu privilegieren. Wer auf eine Gläubigermahnung nicht reagiert, nicht einmal um einen Zahlungsaufschub nachsucht, muss damit rechnen, dass die Forderung mit Hilfe eines Rechtsdienstleisters kostenpflichtig eingezogen wird.

Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten

Das AG Frankfurt erkennt nun auch uneingeschränkt die Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten dem Grunde und der Höhe nach an. Die teilweise ablehnende Haltung aus der Vergangenheit wird damit – wie bei vielen anderen Gerichten – überwunden. Dass die Inkassokosten grundsätzlich erstattungsfähig sind, ist verfassungsrechtlich anerkannt (BVerfG v. 7.9.2011 – 1 BvR 1012/11 Rn 16, zitiert nach juris).

Mit Verzug enden die Eigenobliegenheiten

Vor der Beauftragung eines Inkassodienstleisters wie eines Rechtsanwalts in der Forderungseinziehung befindet sich der Schuldner regelmäßig durch Mahnung (§ 286 Abs. 1 BGB) oder kraft Gesetzes (§ 286 Abs. 2, 3 BGB) in Verzug. Danach ist der Gläubiger grundsätzlich berechtigt, einen Inkassodienstleister zu beauftragen. Die regelmäßige Behauptung, es würden nicht erstattungsfähige Eigenobliegenheiten auf einen Rechtsdienstleister übertragen, ist vor diesem Hintergrund schlicht abwegig. Mit Eintritt des Verzuges enden – spätestens – die Eigenobliegenheiten des Gläubigers. Dass Gläubiger häufig gleichwohl überobligatorische Anstrengungen unternehmen, ist weder vertraglich noch gesetzlich geschuldet, sondern Ausdruck anderer Überlegungen, etwa zur Kundenbindung oder zur Effektivität eigener Abläufe. Der Schuldner kann daraus keinen Anspruch ableiten, dass der Gläubiger auf die Beauftragung eines Rechtsdienstleisters verzichtet.

EU-Recht beachten

Das gilt ausdrücklich bei Forderungen zwischen Unternehmern und Unternehmern (B2B) nach dem europäischen Recht. Es wird nach Art. 6 Abs. 3 der EU-Zahlungsverzugsrichtlinie in der Fassung vom 16.2.2011 auch ausdrücklich gefordert (hierzu im einzelnen Goebel, Inkassokosten, 2. Aufl. 2016, § 2 Rn 151 ff., S. 180). Dort heißt es:

(3) Der Gläubiger hat gegenüber dem Schuldner zusätzlich zu dem in Abs. 1 genannten Pauschalbetrag einen Anspruch auf angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten, die diesen Pauschalbetrag überschreiten. Zu diesen Kosten können auch Ausgaben zählen, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen.

Keine Differenzierung zwischen den Rechtsdienstleistern

Zwischen der Erbringung von Inkassodienstleistungen von Rechtsanwälten und Inkassounternehmen ist danach auch nicht zu differenzieren (BT-Drucks 18/9521, S. 217). Dort heißt es:

"Die unterschiedliche Behandlung von nichtanwaltlichem und anwaltlichem Inkasso, die dadurch entsteht, dass die Ersatzfähigkeit von Inkassokosten nur beim nichtanwaltlichen Inkasso durch Höchstsätze beschränkt werden kann, begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG. Inkassodienstleistungen, die von Inkassodienstleistern erbracht werden, unterscheiden sich nicht von Inkassodienstleistungen, die Rechtsanwälte erbringen. Deshalb gelten...

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