Der Gang zum BGH hat sich gelohnt: Rechtsbeschwerde mit Erfolg

Das LG hat zu Unrecht angenommen, Drittauskünfte gemäß § 802l ZPO seien nach Abgabe einer Vermögensauskunft nur einzuholen, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Schuldner unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht habe und durch die Drittauskünfte neue Erkenntnisse zu erwarten seien. Nach § 802l Abs. 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher die in dieser Vorschrift näher bezeichneten Drittauskünfte erheben, wenn der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkommt oder bei einer Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten ist, die Erhebung der Auskunft zur Vollstreckung erforderlich ist und die zu vollstreckenden Ansprüche mindestens 500 EUR betragen.

Streit um die Voraussetzungen von § 802l ZPO

Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob die Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO nur im Sinne des § 802l Abs. 1 Satz 2 ZPO erforderlich und deshalb zulässig ist, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Schuldner unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht hat und durch die Drittauskünfte neue Erkenntnisse zu erwarten sind:

Von einer Ansicht wird das Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen für die Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO für notwendig erachtet (vgl. LG Nürnberg-Fürth DGVZ 2013, 243; MüKo-ZPO/Wagner, 4. Aufl., § 802l Rn 15 f.). Nach der Systematik der §§ 802c ff. ZPO sei die Selbstauskunft des Schuldners gegenüber der Drittauskunft vorrangig. Sei die Selbstauskunft richtig, könne eine Fremdauskunft keine neuen Erkenntnisse vermitteln. Um Drittauskünfte einzuholen, müssten deshalb Anhaltspunkte für weitere Vermögenswerte oder für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Selbstauskunft bestehen. Die Mehrzahl der Vermögensverzeichnisse enthalte richtige Angaben und erweise sich nur deshalb als unergiebig für den Gläubiger, weil keine pfändbaren Vermögenswerte vorhanden seien. Würde eine solche Unergiebigkeit der Selbstauskunft ohne weitere Prüfung ihrer Richtigkeit schon für sich allein für die Einholung von Drittauskünften ausreichen, führe dies zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Schuldners, der eine vollständige Auskunft erteilt habe. § 802l ZPO diene in erster Linie der Abwehr missbräuchlichen Verhaltens des Schuldners. Dann bedürfe es aber zumindest gewisser Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Missbrauch überhaupt im Raum stehe.
Nach anderer Auffassung sind Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Auskunft des Schuldners keine Voraussetzung für die Einholung einer Drittauskunft nach § 802l ZPO (vgl. LG Magdeburg DGVZ 2014, 224; Voit, in: Musielak, ZPO, 12. Aufl., § 802l Rn 7; Fleck, in: Vorwerk/Wolf, Beck'scher Online-Kommentar ZPO, Stand 15.9.2014, Rn 4; Hk-ZPO/Kemper, § 802l Rn 4). Eine derartige Einschränkung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift lasse sich weder dem Gesetz noch den Gesetzesmaterialien entnehmen. Da der Gläubiger in der Regel über keine Informationen verfüge, um die Vollständigkeit oder Richtigkeit der vom Schuldner abgegebenen Vermögensauskunft zu beurteilen, sei ein Erfordernis, entsprechende Anhaltspunkte vorzutragen, mit dem gesetzgeberischen Ziel unvereinbar, bisher bestehende Unzulänglichkeiten der Informationsgewinnung für den Gläubiger zu beseitigen.

BGH folgt 2. Ansicht und stärkt Gläubigerinformationsrechte

Der Senat schließt sich der zweiten Auffassung an. Zweck des § 802l ZPO ist es, die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung für den Gläubiger durch die ergänzende Einholung von Fremdauskünften wirkungsvoll zu stärken. Dadurch kann der Gläubiger Unrichtigkeiten der vom Schuldner in der Vermögensauskunft abgegebenen Selbstauskunft aufdecken. Dabei sollen die Belange des Schuldners, insbesondere sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, und die Notwendigkeit, dem Gläubiger eine effektive Rechtsdurchsetzung zu ermöglichen, zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. Deshalb wurde die Einholung von Fremdauskünften nur für Forderungen von mindestens 500 EUR zugelassen. Andererseits sollte die Effektivität der Zwangsvollstreckung dadurch erhöht werden, dass der Gläubiger die Vermögenssituation des Schuldners überprüfen kann, wenn eine Vollstreckung in die im Vermögensverzeichnis aufgeführten Vermögensgegenstände voraussichtlich nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers führt.

Beschränkte Möglichkeiten des Gläubigers werden gesehen

Der BGH sieht, dass die Gläubiger über keine Möglichkeiten verfügen, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Vermögensauskunft zu überprüfen, sodass für eine Anwendung von § 802l ZPO in der Praxis kaum Spielraum bliebe, wenn man der 1. Ansicht folge. Auch aus dem im Gesetzgebungsverfahren eingefügten Erforderlichkeitsgebot ergebe sich nichts anderes.

Erforderlichkeitsgebot richtig verstehen

Die Ergänzung sollt...

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