Erinnerung zulässig – Räumungstermin verstrichen

Die Erinnerung der Schuldner ist nach § 766 ZPO zulässig. Den Schuldnern fehlt nicht das für die Erinnerung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Der Umstand, dass der Termin zur Zwangsräumung verstrichen ist, macht die Erinnerung nicht unzulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Erinnerung nach § 766 ZPO gegen Maßnahmen des Gerichtsvollziehers nach § 885 Abs. 1 ZPO besteht regelmäßig so lange, bis die Zwangsvollstreckung beendet ist (BGH MDR 2005, 648; BGH NJW-RR 2010, 785). Im vorliegenden Fall ist die Zwangsvollstreckung noch nicht beendet, weil die Schuldner noch nicht geräumt haben und mit der Anberaumung eines neuen Räumungstermins durch die Gerichtsvollzieherin rechnen müssen.

Zulässiger Einwand: Unbestimmtheit des Titels

Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt vorliegend auch nicht deshalb, weil die Schuldner ausschließlich Verstöße gegen das Vollstreckungsrecht geltend machen, die Rechte Dritter betreffen. Die Schuldner berufen sich auf eine Unbestimmtheit des Vollstreckungstitels. Damit stützen sie die Erinnerung auf einen Verstoß gegen das Vollstreckungsrecht, der sie selbst beschwert.

Unzulässiger Einwand: Mitbesitz des Sohnes

Mit der Erinnerung können die Schuldner nur Verstöße gegen das Vollstreckungsrecht geltend machen, die sie selbst beschweren. Daran fehlt es, wenn die Schuldner eine Beeinträchtigung durch die Herausgabevollstreckung aus dem Recht eines Dritten ableiten (BGH NJW-RR 2010, 281). Das ist der Fall, weil die Schuldner sich auf den Mitbesitz eines an dem vorliegenden Verfahren nicht beteiligten Dritten, nämlich ihres Sohnes, berufen.

BGH: Titel ist hinreichend bestimmt

Allerdings kann mit der Erinnerung nach § 766 ZPO geltend gemacht werden, der Tenor eines Vollstreckungstitels sei derart unbestimmt, dass er keinen vollstreckbaren Inhalt habe (BGH NJW-RR 2009, 445). Ein Titel, dessen Inhalt auch durch Auslegung vom Vollstreckungsorgan nicht ermittelt werden kann, kann nicht Grundlage von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sein. In einem solchen Fall muss der Gläubiger die Reichweite des Titels durch eine Feststellungsklage klären (BGH NJW 1972, 2268).

GV hat einen ­Ermittlungsauftrag

Der vorliegende Vollstreckungstitel ist aber hinreichend bestimmt. Die Schuldner sind verurteilt worden, das Einfamilienhaus einschließlich Garage, Keller und Garten zu räumen und an den Gläubiger herauszugeben. Soweit sich Unklarheiten ergeben, welche Teile der Räumlichkeiten und Bauteile zu dem zu räumenden Grundstück U-Straße 6 gehören, muss der Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan klären, welche Gebäudeteile dem Hausgrundstück zuzuordnen sind. Sollte dies anhand der Örtlichkeiten nicht ohne weiteres möglich sein, muss der Gerichtsvollzieher sich mit allgemein zugänglichen Hilfsmitteln – etwa Bauplänen – vergewissern, welche Räumlichkeiten und Flächen zum Gebäude U-Straße 6 gehören. Kann der Gerichtsvollzieher ohne sachkundige Unterstützung die Frage nicht klären, muss er, wie sonst auch bei der Räumung selbst, Hilfspersonen hinzuziehen. Anhaltspunkte dafür, dass es dem Vollstreckungsorgan danach nicht möglich ist, den Umfang des zu räumenden Hauses genau zu bestimmen, bestehen nicht. Auch die nach dem Vortrag der Schuldner bestehende gemeinsame Stromversorgung der Häuser macht den Vollstreckungstitel nicht unbestimmt.

Teilbesitz ist möglich

Mit der Einweisung des Gläubigers in den Besitz am Haus U-Straße 6 ist auch keine unzulässige Einräumung von Mitbesitz am Haus U-Straße 4 verbunden. Die Einweisung in den Besitz des Hauses U-Straße 6 ist auf die zu diesem Gebäude gehörenden Räume und Flächen beschränkt, deren genaue Zuordnung die Gerichtsvollzieherin zu klären hat. Dass eine derartige Beschränkung rechtlich und tatsächlich möglich ist, zeigt die Vorschrift des § 865 BGB über den Teilbesitz.

Kein materiell-rechtlicher Einwand

Ohne Erfolg rügen die Schuldner, eine Zwangsräumung des Einfamilienhauses sei mit Art. 13 GG unvereinbar. Durch dieses Grundrecht werde der angemietete Wohnraum als Privatsphäre vor dem Eingriff Dritter, auch des Eigentümers, geschützt. Der Schutz des Mieters an den Mieträumen als Ort seines Lebensmittelpunkts ginge ins Leere, wenn er einen räumlich nicht abgetrennten Teil weiter nutzen dürfte, den übrigen Teil aber herausgeben müsste.

Mit diesem Angriff ist die Rechtsbeschwerde im Verfahren der Erinnerung nach § 766 ZPO ausgeschlossen. Mit der Erinnerung können nur Anträge, Einwendungen und Erinnerungen geltend gemacht werden, die die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das bei ihr vom Gerichtsvollzieher zu beobachtende Verfahren betreffen. Dagegen können mit der Erinnerung keine materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den durch den Vollstreckungstitel rechtskräftig zuerkannten Anspruch geltend gemacht werden (BGH JurBüro 2009, 442; BGH, NJW-RR 2010, 281). Die Vollstreckungsorgane sind wegen der Trennung von Erkenntnis und Vollstreckungsverfahren nicht befugt, den Vollstreckungstitel einer materiell-rechtlichen Überprüfung zu unterziehe...

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