LG folgt dem AG

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Gläubigers hat in der Sache keinen Erfolg. Es wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss sowie im Nichtabhilfebeschluss Bezug genommen, welchen sich die Kammer nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage anschließt. Das Vorbringen des Gläubigers in seiner sofortigen Beschwerde rechtfertigt keine andere Beurteilung, sondern bietet lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden und vertiefenden Ausführungen:

Kein Pfändungsschutz nach § 850k Abs. 4 ZPO

Zutreffend hat das Amtsgericht den Antrag des Schuldners als einen solchen nach § 765a ZPO aufgefasst. In der Sache geht es dem Schuldner mit seinem auf Freigabe der Corona-Soforthilfe gerichteten Antrag zwar an sich um die Festsetzung eines von § 850k Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1 und Abs. 3 ZPO abweichenden pfändungsfreien Betrages. Ein entsprechender Antrag nach § 850k Abs. 4 ZPO, welcher vom Schuldner grundsätzlich vorrangig vor einem Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO anzubringen wäre (vgl. BGH, 4.7.2007 – VII ZB 15/07), ist hier jedoch nicht vorgesehen. Die Möglichkeit ist auf die in § 850k Abs. 4 ZPO genannten Beträge beschränkt, wozu die Corona-Soforthilfe nicht gehört. Insbesondere handelt es sich bei der Corona-Soforthilfe nicht um sonstige Einkünfte i.S.v. § 850i ZPO, welche von § 850k Abs. 4 ZPO erfasst wären (vgl. Meller-Hannich, WM 2011, 529, 530, wonach nur selbsterzielte Einkünfte von § 850i ZPO geschützt sind). Das AG geht auch zu Recht davon aus, dass es sich bei der Corona-Soforthilfe nicht um eine einmalige Sozialleistung handelt, welche automatisch kraft § 850k Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO von der Pfändung ausgenommen ist, da die Corona-Soforthilfe steuerlich wie Einkommen behandelt wird und sich damit von Sozialleistungen unterscheidet.

Aber § 765a ZPO ist einschlägig

Dem Schuldner ist aber zur Vermeidung einer unangemessenen Härte i.S.v. § 765a ZPO die Corona-Soforthilfe in voller Höhe (9.000,00 EUR) zu belassen und von der Pfändung auszunehmen. Denn der Anspruch des Schuldners aus dem Bescheid der Bezirksregierung Köln auf Gewährung der Corona-Soforthilfe ist ein nach § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbarer Anspruch. In der Rechtsprechung des BGH sind seit langem außer der Höchstpersönlichkeit von Ansprüchen die Fälle der Zweckbindung als Pfändungshindernisse anerkannt, die den Gläubigerzugriff gemäß § 851 Abs. 1 ZPO ausschließen, soweit er mit dem zum Rechtsinhalt gehörenden Anspruchszweck unvereinbar wäre (BGH, 5.11.2004 – IXa ZB 17/04). Die Zweckbindung muss sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ableiten, wie dies z.B. bei den Vorschriften zur Gewährung öffentlicher Beihilfen regelmäßig der Fall ist. Sie kann sich auch aus der Natur des Rechtsverhältnisses und bei öffentlich-rechtlichen Leistungen ferner aus den einschlägigen normersetzenden oder norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften ergeben (BGH, 29.10.1969 – I ZR 72/67). Nach dieser Maßgabe ist die Corona-Soforthilfe – wie vom AG richtig erkannt – ohne Weiteres als zweckgebunden anzusehen, da sie ausweislich des im Bescheid mitgeteilten Leistungszwecks der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des Begünstigten und der Überbrückung von dessen aktuellen Liquiditätsengpässen infolge der Corona-Pandemie dient (so auch ausdrücklich Riedel, in: BeckOK-ZPO, Stand: 1.3.2020, § 851 Rn 10).

Kein Anlassgläubiger

Der Gläubiger ist auch kein sog. Anlassgläubiger, der von der Zweckgebundenheit der Corona-Soforthilfe geschützt wäre. Die Soforthilfe ist für die Deckung der laufenden Betriebskosten des Unternehmens einzusetzen. So könnte der Anspruch auf Corona-Soforthilfe etwa zugunsten von aktuellen Vermietern, Leasinggebern oder Lieferanten des Schuldners gepfändet werden. Altgläubiger aus der Zeit vor der Corona-Pandemie – so wie im vorliegenden Fall der Gläubiger – können auf die Corona-Soforthilfe hingegen nicht im Wege der Forderungspfändung zugreifen.

Zweckgebundener und unpfändbarer Anspruch

Ist der Anspruch aus der Corona-Soforthilfe zweckgebunden und unpfändbar, würde die Unpfändbarkeit allerdings mit Eingang des Betrages auf dem Konto des Schuldners verloren gehen, da in diesem Moment der Anspruch des Schuldners auf die Zahlung erlischt und zu einem Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen die Bank in derselben Höhe wird. Dies wäre in höchstem Maße unbillig und liefe der Intention des Gesetzgebers zuwider. Um zu vermeiden, dass der dem Schuldner zukommende Schutz durch eine Pfändung des schuldnerischen Kontos umgangen wird, sieht das Gesetz die Regelung des § 850k Abs. 4 ZPO vor. Diese Bestimmung ermöglicht in den Fällen, in denen vom Gesetz bislang eine Anpassung der Freibeträge für den allgemeinen Pfändungsschutz von Arbeitseinkommen und gleichgestellte Einkünfte zulässig ist, eine solche Anpassung auch bei der Kontopfändung vorzunehmen (Riedel, in: BeckOK-ZPO, Stand: 1.3.2020, § 850k Rn 28).

§ 765a ZPO als Auffangvorschrift

In den nicht von § 850k Abs. 4 ZPO erfassten Fällen lässt sich allerdings über...

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