Wer zuerst kommt, mahlt zuerst

Auch im Rahmen der Lohnpfändung als Teil der Forderungspfändung gilt für die Reihenfolge der Pfändungen § 804 Abs. 3 ZPO. Die zeitlich vorrangige Pfändung ist vollständig primär zu befriedigen, bevor nachfolgende Pfändungen zu berücksichtigen sind. Mit der Pfändung geht das Einziehungsrecht für die pfändbaren Anteile des Arbeitseinkommens vom Schuldner auf den erstrangigen Gläubiger über.

Zahlungsverbot an den Drittschuldner

Mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner nach § 829 Abs. 3 ZPO wird dem Drittschuldner nach § 829 Abs. 1 S. 1 ZPO verboten, an den Schuldner zu zahlen. Die Überweisung pfändbarer Anteile des Arbeitseinkommens auf das Konto des Schuldners stellt jedoch eine solche Zahlung an den Schuldner dar.

 

Hinweis

Die Auffassung des Arbeitgebers als Drittschuldner, dem Schuldner sei es nicht zuzumuten, neben dem Arbeitseinkommen auch das Guthaben auf seinem Konto zu pfänden, übersieht den diesbezüglichen Pfändungsschutz. Führt der Arbeitgeber die pfändbaren Anteile des Arbeitseinkommens ordnungsgemäß an den Gläubiger ab, reduziert sich die Überweisung an das Kreditinstitut auf die unpfändbaren Beträge. Jedenfalls nach § 850k Abs. 4 ZPO kann der Schuldner auf einem P-Konto sein unpfändbares Arbeitseinkommen gleichermaßen vor der Trennung schützen. Es steht dem Drittschuldner nicht zu, seinerseits ein "eigenes Pfändungsschutzsystem" aufzubauen.

Gegenüber den Gläubigern der Lohnpfändung ist die Zahlung des vollständigen Arbeitslohns einschließlich der pfändbaren Anteile nach § 134 BGB als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 829 Abs. 1 S. 1 ZPO) unwirksam. Die Unwirksamkeit der Zahlung betrifft dabei nicht nur den erstrangigen Gläubiger, sondern auch die weiteren nachrangigen Gläubiger, weil die Befriedigung des erstrangigen Gläubigers für die Frage bestimmend ist, wann ihnen die pfändbaren Anteile des Arbeitseinkommens zustehen.

 

Hinweis

Dabei bleibt unerheblich, ob und in welchem Umfang der erstrangige Gläubiger durch die gleichzeitig ausgebrachte Pfändung des Bankguthabens Befriedigung erlangt hat. Die hier erreichten Zahlungen sind nämlich nicht auf die Pfändung des Arbeitseinkommens anzurechnen.

Informationsbeschaffung bei Gericht und beim Schuldner

Zur Vorbereitung des weiteren Vorgehens wäre zunächst durch Einsichtnahme in die Vollstreckungsakten (M-Akten) beim zuständigen Vollstreckungsgericht, d.h. am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners, § 828 ZPO, zu klären wie hoch die Vollstreckungsansprüche der vorrangigen Gläubiger sind. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Akteneinsicht ergibt sich aus § 804 Abs. 3 ZPO, mithin dem Recht, feststellen zu dürfen, welche Pfändung welchen Rang hat.

 

Hinweis

Grundlage der Akteneinsicht ist § 299 Abs. 1 ZPO, wonach jede der am Verfahren beteiligten Personen ein Akteneinsichtsrecht hat. Ein Ermessen steht dem Vollstreckungsgericht insoweit nicht zu, weil der Pfändungsgläubiger Partei des Vollstreckungsverfahrens ist.

Neben der Akteneinsicht beim Vollstreckungsgericht muss der Gläubiger den Schuldner nach § 836 Abs. 3 ZPO zur Herausgabe der Lohnabrechnungen seit dem Beginn der erstrangigen Forderung auffordern. Die Auskunft ist notwendig, um den Vollstreckungsanspruch durchzusetzen. Nur so kann festgestellt werden, ob die vorrangigen Pfändungen bereits erfüllt oder noch offene Ansprüche verblieben sind. Gibt der Schuldner die Lohnabrechnungen nicht freiwillig heraus, kann die Herausgabe im Wege der Zwangsvollstreckung nach § 836 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 883 ZPO erreicht werden.

 

Hinweis

Anders als gegenüber dem Schuldner besteht gegenüber dem Drittschuldner kein Anspruch auf Herausgabe der Lohnabrechnungen vor der eigenen Pfändung. Einen Herausgabeanspruch gegenüber dem Drittschuldner hat der BGH nur ab der eigenen Pfändung anerkannt (BGH FoVo 2013, 56).

Klarstellungsbeschluss vs. Feststellungsklage

Nach der Aussage des Drittschuldners und seines Bevollmächtigten im dargestellten Fall der Leserin ist ein unmittelbarer Zahlungsanspruch nicht zu sehen. Eine Drittschuldnerklage als Leistungsklage verspricht mithin keinen Erfolg.

Für den Gläubiger ergeben sich daher zwei Optionen:

Zum einen kann er beim Vollstreckungsgericht beantragen, dass klargestellt wird, dass der Drittschuldner alle pfändbaren Anteile des Arbeitseinkommens seit der Zustellung des erstrangigen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auf die vorhandenen Pfändungen zu verrechnen hat.
 

Hinweis

Dafür bleibt unerheblich, dass der erstrangige Gläubiger die entsprechenden Beträge möglicherweise bereits über das Kreditinstitut des Schuldners erlangt hat. Dies mag allenfalls im Verhältnis des Drittschuldners zu dem erstrangigen Gläubiger dazu führen, dass dieser keine entsprechenden Zahlungsansprüche geltend macht. Im Verhältnis zum zweit- und drittrangigen Gläubiger ist dies ohne Bedeutung. Nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts müsste der Drittschuldner dem erstrangigen Gläubiger alle pfändbaren Anteile des Arbeitseinkommens seit der Erstpf...

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