Leitsatz

Ein gegenüber dem Schuldner unterhaltsberechtigtes Kind ist nur mit der Hälfte des nach § 850c Abs. 1, 2 ZPO maßgeblichen Betrags zu berücksichtigen, wenn der ebenfalls unterhaltsverpflichtete Ehegatte (weiteres Elternteil) über ein eigenes angemessenes Einkommen verfügt.

LG Tübingen, 15.4.2008 – 5 T 26/08

1 Der Fall

Unterhaltsberechtigte hat eigenes Einkommen

Der Schuldner hat mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Kind. Neben dem Schuldner verfügt auch die Ehegattin des Schuldners über ein eigenes Einkommen in gleicher Höhe. Auf Antrag des Gläubigers hat das Vollstreckungsgericht angeordnet, dass das unterhaltsberechtigte Kind nur mit der Hälfte des maßgeblichen Betrages berücksichtigt wird. Die sofortige Beschwerde des Schuldners hiergegen ist erfolglos geblieben.

2 Die Entscheidung

Unterhaltsleistungen sind Einnahmen

Nach ganz überwiegender Meinung sind Unterhaltsleistungen als eigene Einkünfte des unterhaltsberechtigten Kindes zu werten (Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 850c Rn.12 a.E.). Dies bedeutet hier, dass das gemeinsame Kind bei der Einkommenspfändung gegen den Schuldner teilweise unberücksichtigt bleibt, wenn auch die Mutter über ein eigenes Einkommen in nahezu gleicher Höhe verfügt (z. B. LG Regenburg JurBüro 2000, 546; LG Nürnberg-Fürth JurBüro 2001, 549). Da der gemeinsame Sohn ausweislich der Angaben in der eidesstattlichen Versicherung bereits volljährig ist, bedarf er keiner Betreuung mehr. Auch die Mutter schuldet ihm gegenüber daher nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteiligen Barunterhalt.

3 Der Praxistipp

Diese Erwägungen sind anzustellen

Die Berücksichtigung von zu erbringenden Unterhaltsleistungen der Mutter in der Weise, dass der Unterhaltsanspruch des Sohnes zur Hälfte unberücksichtigt bleibt, entspricht im vorliegenden Fall auch im Hinblick auf die Höhe ihres Einkommens dem billigen Ermessen. Zwar liegt das Einkommen der Mutter, aus dem sie hälftigen Barunterhalt zu leisten hat, etwas unter der Pfändungsfreigrenze. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Grundfreibetrag des § 850c Abs. 1 ZPO regelmäßig auch dazu dient, zu einem erheblichen Teil die Wohnungsmiete und andere Grundkosten des Haushaltes abzudecken. Diese Kosten erhöhen sich bei mehreren Personen nicht proportional zur Personenzahl. Auch unter Berücksichtigung des weiteren Grundsatzes, dass die Regelungen über die Pfändungsfreigrenzen dem Schuldner und seinen Unterhaltsberechtigten nicht nur das Existenzminimum sichern sollen, sondern eine deutlich darüber liegende Teilhabe am Arbeitseinkommen erhalten bleiben muss (BGH NJW-RR 2005, 1239), erscheint die vom Gläubiger begehrte hälftige Nichtberücksichtigung des unterhaltsberechtigten Kindes bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens noch angemessen.

 
Hinweis

Wird auf das Arbeitseinkommen des Schuldners im Wege der Forderungspfändung nach §§ 828, 829 ZPO zugegriffen, so ergeht nach § 850c Abs. 3 S. 2 ZPO ein Blankett-Beschluss, d.h. der pfändbare Betrag ist vom Arbeitgeber nach der Tabelle zu § 850c ZPO in der Fassung vom 25.2.2005, gültig ab 1.7.2005, selbst zu berechnen. Dabei wird der Arbeitgeber formal feststellen, ob der Schuldner verheiratet ist und/oder über unterhaltsberechtigte Kinder verfügt. Aus der entsprechenden Spalte wird er dann den pfändbaren Betrag ableiten. Will der Gläubiger dies verhindern, muss er nach § 850c Abs. 4 ZPO einen Antrag auf die ganze oder teilweise Nichtberücksichtigung der unterhaltsberechtigten Person stellen. Voraussetzung ist, dass er darlegen kann, dass diese Person über eigenes Einkommen verfügt. Diese Informationen kann er im Offenbarungsverfahren erlangen. Der BGH hat insoweit entschieden, dass der Schuldner über das Einkommen unterhaltsberechtigter Personen eine Auskunft zu erteilen hat (vgl. BGH VE 2004, 169). Im vorliegenden Fall kamen so die vollständige Nichtberücksichtigung des Ehegatten und die hälftige Nichtberücksichtigung des Kindes in Betracht.

Seit dem 1.7.2008 kann ein solcher Antrag nicht nur von dem Gläubiger selbst oder einem Rechtsanwalt, sondern nach § 79 Abs. 2 Nr. 4 ZPO auch von nach § 10 RDG registrierten Inkassounternehmen gestellt werden.

 

Muster: Antrag auf Nichtberücksichtigung der unterhaltsberechtigten Person

An das AG – Vollstreckungsgericht –

Antrag nach § 850c Abs. 4 ZPO

In der Zwangsvollstreckungssache Gläubiger …. / Schuldnerin …, Az.:

beantrage ich namens und in Vollmacht des Schuldners:

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG …. vom ….. Az.: … wird dahingehend ergänzt, dass bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens des Schuldners nach § 850c Abs. 4 ZPO der Ehegatte des Schuldners … ganz sowie das gemeinsame Kind des Schuldners und des Ehegatten … zur Hälfte unberücksichtigt bleibt.

Zur Begründung darf ausgeführt werden:

Mit dem genannten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde das Arbeitseinkommen des Schuldners im Wege eines Blankettbeschlusses gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen. Der Schuldner verfügt ausweislich der in der Anlage beigefügten Lohnabrechnung über ein Nettoeinkommen von … EUR.

Hiervon...

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