Wollen Sie die Verfahrensherrschaft wirklich aus der Hand geben?

Es sei erlaubt zu fragen, ob es überhaupt sinnvoll ist, sofort den Haftbefehl zu beantragen. Soweit der Schuldner nicht erscheint, ergeben sich unterschiedliche Möglichkeiten:

Der Schuldner wird binnen zwei Wochen ins Schuldnerverzeichnis eingetragen.
Es können nach § 802l ZPO die Drittauskünfte zu Arbeitgeber, Konto und Kfz beantragt werden.
Es kann der Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gestellt werden.

Reden wir erst einmal darüber

Wird sofort der Haftbefehl beantragt, verschließt sich der Gläubiger der Möglichkeit, zunächst einmal mit dem Schuldner über die Situation nach seinem Nichterscheinen zu kommunizieren oder auch die zielführenderen Drittauskünfte zu beantragen.

Eintragung im Schuldnerverzeichnis

Die Eintragung des Schuldners im Schuldnerverzeichnis bringt für ihn besondere Nachteile mit sich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es bisher keine Voreintragungen gibt, was vom Gläubiger oder seinem Bevollmächtigten ohne viel Aufwand und ohne hohe Kosten (4,50 EUR) abgefragt werden kann (www.vollstreckungsportal.de oder über Dienstleister wie die Schufa, Creditreform, Criff, Infoscore usw.). Die Auskunfteien registrieren die Eintragung und lassen sie in Bonitätsbewertungen einfließen. Das beeinträchtigt den Schuldner, wenn er am bargeldlosen Wirtschaftsverkehr teilnehmen kann. Angesichts dessen zeigt sich vielleicht mancher Schuldner doch noch bereit, eine gütliche Einigung zu treffen.

Haftbefehl

In gleicher Weise und/oder eskalierend kann mit dem Schuldner besprochen werden, dass nun die Voraussetzungen für die Beantragung eines Haftbefehls vorliegen. Zunächst ist der Erlass des Haftbefehls mit besonderen Kosten verbunden (22 EUR nach Nr. 2114 KV GKG). Die Verhaftung durch den Gerichtsvollzieher verursacht weitere Kosten nach Nr. 270 KV GvKostG in Höhe von 39 EUR zuzüglich der Auslagenpauschale nach Nr. 716 KV GvKostG in Höhe von mindestens 7,80 EUR. Hinzu tritt noch das Wegegeld nach Nr. 711 KV GvKostG. In den Kosten wird allein der Umstand, dass ein Haftbefehl gegen ihn ergehen könnte, dem Schuldner die besondere Bedrohung durch die Zwangsvollstreckung vor Augen führen. Die Praxis lehrt, dass auch diese Aussicht den Schuldner vielfach zu einer gütlichen Einigung motiviert.

Drittauskünfte

Eine Abwägung bedarf die Frage, ob statt der Beantragung eines Haftbefehls die Drittauskünfte nach § 802l ZPO eingeholt werden und mit dem Schuldner hierüber gesprochen wird. Einerseits kann die Aussicht, dass der Arbeitgeber oder seine Konten ohne weiteres ermittelt werden können, den Schuldner wiederum zur gütlichen Einigung motivieren. Andererseits vergibt sich der Gläubiger mit der frühzeitigen Information des Schuldners über diese Möglichkeit des Überraschungseffektes der weiteren Pfändung.

Die Antwort im Übrigen: Es kommt darauf an

Wie es nach der Beantragung des Haftbefehls weitergeht, hängt im Wesentlichen von der Disposition des Gläubigers ab. So kann der Gläubiger

die Übersendung des Haftbefehls an sich verlangen,

oder aber das Amtsgericht bitten, den Haftbefehl unmittelbar an den zuständigen Gerichtsvollzieher weiterzuleiten, damit dieser die Verhaftung des Schuldners einleitet.

Die erste Variante kann dazu dienen, dem Schuldner eine Kopie des Haftbefehls zu übersenden, um eine Zahlungsmotivation im vorbezeichneten Sinne herbeizuführen. Gegenüber der bloßen Ankündigung, den Haftbefehl beantragen zu können, begründet dieses Vorgehen eine weitergehende Glaubwürdigkeit der Absichten des Gläubigers beziehungsweise seines Vertreters.

Die zweite Variante beschleunigt das Verfahren und führt ohne weitere Umwege zum Verhaftungsauftrag des Gerichtsvollziehers. Vor dem Hintergrund des starken verfassungsrechtlichen Eingriffs in die Freiheit des Schuldners wird der Gerichtsvollzieher dem Schuldner vor der Verhaftung Gelegenheit geben müssen, die Vermögensauskunft nunmehr abzugeben.

Die Verhaftung ist in § 145 GVGA geregelt

Das Verfahren der Verhaftung ist in § 144 und § 145 GVGA geregelt. Zunächst ist in formeller Hinsicht § 802h ZPO zu beachten, wonach die Vollziehung des Haftbefehls nicht statthaft ist, wenn seit seinem Erlass mehr als zwei Jahre vergangen sind. Gleichfalls darf die Haft nicht vollstreckt werden, wenn dadurch die Gesundheit des Schuldners gefährdet würde. Ansonsten unterbleibt die Verhaftung nach § 144 Abs. 3 GVGA, wenn der Schuldner die Vermögensauskunft vor der Verhaftung freiwillig abgibt. Dem steht gleich, dass der Schuldner mit dem Gerichtsvollzieher eine gütliche Erledigung nach § 802b ZPO erreicht. Die Praxis zeigt, dass der Versuch der Verhaftung durch den Gerichtsvollzieher in der Regel zur Abnahme der Vermögensauskunft oder einer gütlichen Einigung führt, wenn sich der Schuldner nicht zuvor bereits mit dem Gläubiger in Verbindung gesetzt und eine Lösung gefunden hat. Demgegenüber ist die tatsächliche Verhaftung und anschließende Inhaftierung bis zu einer später erfolgenden Abgabe der Vermögensauskunft eher theoretischer Natur und ...

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