Leitsatz

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Firmendirektversicherung ist bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls als zukünftige Forderung pfändbar.

BGH, 11.11.2010– VII ZB 87/09

1 I. Der Fall

Ansprüche aus Direktversicherung gepfändet

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung. Auf ihren Antrag hat das AG – Vollstreckungsgericht – einen PfÜB erlassen, mit dem sinngemäß der Anspruch des Schuldners aus dem mit der Drittschuldnerin abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen worden ist. Bei dieser Lebensversicherung handelt es sich um eine der Altersversorgung dienende Firmendirektversicherung im Sinne von § 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG, für die nach Auskunft der Versicherung vom 12.3.2009 allein der Arbeitgeber Beiträge entrichtet hat. Der Schuldner ist am 20.6.2005 mit unverfallbaren Versorgungsanwartschaften aus dem zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Sein Anspruch auf Auszahlung eines voraussichtlichen Kapitals von 14.196,26 EUR wird am 1.11.2011 fällig.

Schuldner begehrt Pfändungsschutz

Der Schuldner hat gegen den PfÜB Erinnerung eingelegt und beantragt, diesen insoweit abzuändern, dass die Pfändung weder die Ansprüche in Höhe des durch Beitragszahlungen des Arbeitgebers gebildeten geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals noch, soweit die Berechnung des Deckungskapitals nicht zum Geschäftsplan gehört, des nach § 176 Abs. 3 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag bezeichneten Zeitwerts umfasst. Zur Begründung hat er darauf hingewiesen, dass die Ansprüche aus einer Firmendirektversicherung in dieser Höhe gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG i.V.m. § 851 Abs. 1 ZPO unpfändbar seien. Das AG – Vollstreckungsgericht – hat den PfÜB aufgehoben, soweit in dem Beschluss Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag erfasst sind, die aus Beitragszahlungen des Arbeitgebers resultieren oder, soweit die Berechnung des Deckungskapitals nicht zum Geschäftsplan gehört, der nach § 169 Abs. 3 und 4 VVG berechnete Wert. Das LG hat die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen diesen Beschluss zurückgewiesen.

2 II. Die Entscheidung

BGH entscheidet für Gläubiger

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass der zukünftige Anspruch des Schuldners auf Auszahlung der Versicherungssumme gepfändet ist. Dieser Anspruch des Schuldners ist als künftige Forderung pfändbar.

Direktversicherung unterliegt Abtretungs- und Beleihungsverbot

Nach § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG darf bei einer der Altersversorgung dienenden Direktversicherung der vor Eintritt des Versorgungsfalls und nach Erfüllung der Voraussetzungen des § 1b Abs. 1 und 5 BetrAVG aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedene Arbeitnehmer die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in Höhe des durch Beitragszahlungen des Arbeitgebers gebildeten geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals oder, soweit die Berechnung des Deckungskapitals nicht zum Geschäftsplan gehört, des nach § 169 Abs. 3 und 4 des VVG berechneten Wertes weder abtreten noch beleihen. Durch diese Verfügungsbeschränkungen soll im Rahmen des rechtlich Möglichen erreicht werden, die bestehende Anwartschaft im Interesse des Versorgungszwecks aufrechtzuerhalten, d.h. zu verhindern, dass der Arbeitnehmer die Anwartschaft liquidiert und für andere Zwecke verwendet. Das entspricht der Grundkonzeption der §§ 1b und 2 BetrAVG, die darauf ausgerichtet ist, die Versorgungsanwartschaft beim vorzeitigen Ausscheiden des Arbeitnehmers aufrechtzuerhalten und die Fälligkeit unangetastet zu lassen. Der Versorgungszweck der Anwartschaften soll möglichst lückenlos gesichert werden (Blomeyer/Rolfs/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 5. Aufl., § 2 Rn 260 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Mit diesen Verfügungsbeschränkungen korrespondiert ein Pfändungsverbot, § 851 Abs. 1 ZPO. Die Unpfändbarkeit gilt uneingeschränkt für die vor Verfügungen des Arbeitnehmers umfassend geschützte Versorgungsanwartschaft (Blomeyer/Rolfs/Otto, a.a.O., Rn 267; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn 892a).

Verfügungsbeschränkung erfasst nicht den künftigen Auszahlungsanspruch

Die Verfügungsbeschränkung erfasst nicht den Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme im Versicherungsfall. Das hat der BGH bereits am 23.10.2008 (VII ZB 16/08 = NJW-RR 09, 211) entschieden (vgl. auch Blomeyer/Rolfs/Otto, a.a.O., Rn 279; Stöber, Forderungspfändung, Rn 892a, 920; Merten, BetrAV 2004, 721). Er hat in dieser Entscheidung lediglich offen gelassen, ob bereits der zukünftige Anspruch gepfändet werden kann. Diese Frage ist zu bejahen. Künftige Forderungen können grundsätzlich gepfändet werden, sofern ihr Rechtsgrund und der Drittschuldner im Zeitpunkt der Pfändung bestimmt sind (BGH NJW-RR 1989, 286; BGH NJW 2003, 1457; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 829 Rn 2). Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn ein zukünftiger Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einem bestimmten Versicherungsvertrag gepfändet wird.

BGH revidiert R...

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