Leitsatz

Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage, in welchem Umfang über § 1603 Abs. 2 BGB dem Unterhaltsschuldner fiktive Einkünfte zugerechnet werden können und wann die Obliegenheit zur Aufnahme einer Nebentätigkeit besteht.

 

Sachverhalt

Die Beklagte war ggü. zwei minderjährigen Kindern von 6 und 12 Jahren zur Leistung von Unterhalt verpflichtet. Sie war als Arbeiterin im Rotationssystem erwerbstätig und erzielte bei einer Arbeitszeit von 100 Stunden monatlich einen Nettolohn von 720,00 EUR. Sie wurde von ihren Kindern auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch genommen. Erstinstanzlich wurde ihr Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverteidigung nicht gewährt.

Die von der Beklagten hiergegen eingelegte Beschwerde war insoweit erfolgreich, als der angefochtene Beschluss aufgehoben und das AG angewiesen wurde, erneut über die begehrte Prozesskostenhilfe zu befinden.

 

Entscheidung

Das OLG wies darauf hin, dass die Eltern minderjähriger oder privilegierter volljähriger Kinder eine gesteigerte Erwerbspflicht treffe, da sie nach § 1603 Abs. 2 BGB verpflichtet seien, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Hieraus sowie aus Art. 6 Abs. 2 GG folge auch die Verpflichtung der Eltern zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft. Es sei daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nicht nur die tatsächlichen, sondern auch die fiktiv erzielbaren Einkünfte berücksichtigt würden, wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlasse, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könne. Grundvoraussetzung eines jeden Unterhaltsanspruchs bleibe allerdings die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Die Beklagte erziele nach den eingereichten Verdienstbescheinigungen für eine ca. 100 Stunden im Monat betragende Tätigkeit ein durchschnittliches Nettoeinkommen von ca. 720,00 EUR. Auch soweit ihr zumutbar sei, neben dieser Teilzeittätigkeit eine weitere Nebentätigkeit auszuüben, könne nicht unterstellt werden, dass aus einer solchen Nebentätigkeit ein höheres Einkommen fließe als 1.000,00 EUR monatlich. Den von der Beklagten eingereichten Unterlagen sei zu entnehmen, dass sie sich um eine neue Arbeitsstelle bemüht habe. Selbst wenn man dem erstinstanzlichen Gericht darin folge, dass die nachgewiesenen Bemühungen nicht ausreichten, könnten der Beklagten jedenfalls fiktive Einkünfte, mit denen sie ihrer Unterhaltspflicht ggü. den beiden minderjährigen Kindern nachkommen könne, nicht zugerechnet werden.

Auch in ihrem Lehrberuf als Fachverkäuferin für Fleisch- und Wurstwaren könne die Beklagte nach Angaben der Hans-Böckler-Stiftung allenfalls ein Bruttoverdienst von ca. 1.384,00 EUR monatlich erzielen.

Neben dem Einkommen aus einer fiktiven Vollzeittätigkeit könnten jedenfalls der Beklagten keine zusätzlichen fiktiven Einkünfte aus einer Nebenbeschäftigung zugerechnet werden. Eine über die tatsächliche Erwerbstätigkeit hinausgehende Obliegenheit zur Erzielung von Einkommen könne nur dann angenommen werden, wenn und soweit die Aufnahme einer weiteren oder anderen Erwerbstätigkeit dem Unterhaltspflichtigen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar sei und ihn nicht unverhältnismäßig belaste.

Eine solche unzumutbare Belastung wäre jedoch dann anzunehmen, wenn die Beklagte entweder vollzeitig tätig wäre und ihr jedenfalls ein solches Einkommen fiktiv zugerechnet würde. Bei einer vollzeitigen Tätigkeit als Verkäuferin dürfe nicht verkannt werden, dass bei den längeren Öffnungszeiten vermehrt im Schichtdienst gearbeitet werden müsste und die Höhe des zu erzielenden Einkommens für die Beklagte auch dadurch beeinflusst werden, dass sie ohne große Berufserfahrung in ihrem erlernten Beruf nach einer langen Berufspause erstmalig wieder tätig sei.

Im Übrigen führe das Überangebot an Arbeitssuchenden für geringfügige Beschäftigungen dazu, dass solche Stellen nur selten an Arbeitnehmer, die ihre Arbeitskraft schon acht Stunden täglich eingesetzt hätten, vergeben würden.

 

Link zur Entscheidung

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 14.01.2009, 13 WF 128/08

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