Entscheidungsstichwort (Thema)

beA-Nutzungszwang für bestimmende Schriftsätze eines Rechtsanwalts auch bei Bevollmächtigung einer interprofessionellen Sozietät

 

Leitsatz (amtlich)

Reicht ein Berufsträger, der (zumindest auch) als Rechtsanwalt zugelassen ist, ab dem 01.01.2022 einen bestimmenden Schriftsatz bei einem Finanzgericht ein, ist dieser formunwirksam, wenn er nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach eingereicht wird und Hinderungsgründe nicht glaubhaft gemacht sind.

 

Normenkette

FGO §§ 52d, 69 Abs. 3; BRAO §§ 31, 31a, 31b

 

Gründe

I.

Der Antragsgegner setzte mit einem - nicht näher bezeichneten - Grunderwerbsteuerbescheid gegen den Antragsteller Grunderwerbsteuer fest. Über den hiergegen gerichteten Einspruch wurde - in nicht näher bezeichneter Weise - mit Einspruchsentscheidung vom 28. April 2022 entschieden.

Hiergegen erhob der Antragsteller, vertreten durch die Prozessbevollmächtigte, mit Schreiben vom 28. April 2022 Klage und stellte zugleich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Das Schreiben der Prozessbevollmächtigten, das mit "Dr. X." signiert und unterzeichnet war und ihn als Ansprechpartner benannte, war nicht in elektronischer Form, sondern in Papierform als einfacher Brief an das Gericht übermittelt worden. Der Briefkopf des Schreibens wies den Schriftzug "X. & Partner mbb", das Logo "X. & Partner" sowie sieben Namen, darunter den Namen Dr. jur. X., aus. Bei allen sieben dort genannten Personen war die Berufsbezeichnung "Steuerberater/in", bei insgesamt fünf Personen (einschließlich Dr. jur. X.) die Berufsbezeichnung "Wirtschaftsprüfer" und nur bei Dr. jur. X. zusätzlich die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" unter den jeweiligen Namen vermerkt. In der Fußzeile des Schriftsatzes findet sich die Angabe "X. & Partner mbb Wirtschaftsprüfungsgesellschaft - Steuerberater - Rechtsanwalt, Amtsgericht … PR ….". Als Prozessbevollmächtigte/r benannt war "X. & Partner". Für Herrn Dr. X, der Kanzlei unter der Anschrift der Prozessbevollmächtigten zugeordnet, ist ausweislich der im Bundesweiten Amtlichen Anwaltsverzeichnis hinterlegten beA SAFE-ID ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) eingerichtet.

Auf den Hinweis des Gerichts, dass der Antrag unzulässig sei, weil der durch einen Rechtsanwalt gestellte Antrag entgegen§ 52d Finanzgerichtsordnung (FGO) nur in Papierform und nicht in elektronischer Form gestellt worden sei, teilte die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 8. Juli 2022 mit, dass nicht der Unterzeichner Dr. X: persönlich, sondern "die X. & Partner mbb" als Prozessbevollmächtigte auftrete, die als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nicht verpflichtet sei, das beA zu nutzen. Nach der herrschenden Organtheorie habe die Gesellschaft, die erkennbar auch als solche bezeichnet worden sei, die Anträge eingereicht. Das Schreiben wurde von Herrn Y signiert und unterzeichnet, der ausweislich des Briefkopfes nur mit der Berufsbezeichnung "Steuerberater" geführt wird.

II.

Der Antrag ist unzulässig, weil er entgegen § 52d Finanzgerichtsordnung (FGO) nur in Papierform und nicht in elektronischer Form durch den - jedenfalls auch - als Rechtsanwalt zugelassenen Dr. jur. X. gestellt worden ist.

Nach § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht nur auf Antrag entscheiden. Hinsichtlich der Form und des Inhalts des Antrags gelten §§ 64,65 FGO sinngemäß (Herbert, in: Gräber, FGO 9. Auflage 2019, § 65 FGO Rn. 4; Brandis, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 163. Lieferung, 10/2020, § 65 FGO Rn. 1). Die Schriftform wird im Anwendungsbereich des § 52d FGO durch die elektronische Form verdrängt (Schallmoser, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 267. Ergänzungslieferung Stand März 2022, § 52d FGO Rn. 10).

Die elektronische Form ist vorliegend aufgrund der schriftlichen Antragstellung durch den nicht nur als Wirtschaftsprüfer, sondern zumindest auch als Rechtsanwalt zugelassenen Dr. jur. X. nicht eingehalten, ohne dass es darauf ankäme, dass formell nicht dieser persönlich, sondern eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft prozessbevollmächtigt war.

1. Mit Art. 6 Nr. 4 i.V.m. Art. 26 Abs. 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I 2013, 3786) wurde in § 52d FGO mit Wirkung zum 1. Januar 2022 eine Nutzungspflicht der elektronischen Gerichtskommunikation für Rechtsanwälte, Behörden und vertretungsberechtigte Personen eingeführt.

  1. Nach§ 52d Satz 1 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt nach § 52d Satz 3 FGO die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist gemäß § 52d Satz 4 FGO bei der Ersatzeinr...

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