Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten für die Teilnahme von Pflegeeltern an medizinischen Seminaren als außergewöhnliche Belastung

 

Leitsatz (redaktionell)

Kosten für die Teilnahme an medizinischen Seminaren zum Umgang mit frühtraumatisierten Kindern sind bei Pflegeeltern als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.

 

Normenkette

EStDV § 64; EStG § 33

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 2012 über die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Kläger werden zur Einkommensteuer des Streitjahres zusammenveranlagt. Sie nahmen ab dem xx. März 2005 die Geschwister B U und K U (beide geboren xx.xx.xxxx) – in Einverständnis mit den leiblichen Eltern – als Pflegekinder in Vollzeitpflege auf (Bescheinigung des Pflegekinderdienstes T vom xx. März 2005). Hierfür erhielten die Kläger erhöhtes Erziehungsgeld sowie Unterhaltsgeld und Unterstützungsleistungen durch den Pflegekinderdienst. Die Kinder waren über die Krankenversicherung des Klägers versichert. Das Sorgerecht war den Klägern nicht übertragen.

Unter dem 16. Februar 2010 diagnostizierte Herr Dr. I Q (Kinderklinik T, Sozialpädiatrisches Zentrum) bei K U eine Schwäche der Fein- und Graphomotorik, Aufmerksamkeitsstörung, Perceptionsschwäche und Bindungsstörung. Auf das Schreiben wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Im Schreiben vom 29. Januar 2011 von Frau Dr. C C, auf das ebenfalls wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, beschreibt diese die Frühtraumatisierung des Kindes K U auf der Grundlage einer Erstvorstellung am 25. Januar 2011.

Auf die unter dem 24. November 2008, dem 13. Mai 2009 und dem 27. Januar 2010 vom Schularzt des Kreises T (Gesundheitsamt, jugendärztlicher Dienst) erstellten schulärztlichen Gutachten wird verwiesen.

Die Klägerin nahm wegen der Erkrankungen von K U u.a. verschiedene Leistungen von Frau Dr. C C im Rahmen der „…beratung” in D in Anspruch. Frau Dr. C C ist Ärztin, die nicht über eine Kassenzulassung verfügt. Hinsichtlich der Einzelheiten des von ihr entwickelten Beratungs- und Begleitungskonzepts für frühtraumatisierte Kinder wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Die im Streit stehenden Leistungen der Frau Dr. C C betrafen den auf längere Zeit angelegten „Seminarblock …”, der ohne die Kinder durchgeführt wird und in dem Frau Dr. C C Vorträge hält und sowohl Gruppen- wie auch Einzelgespräche und -beratungen der teilnehmenden Eltern vornimmt. Der Teilnehmerkreis war beschränkt auf Teilnehmer der vorherigen Veranstaltungen des „Seminarblocks …”.

Gegenstand des Seminars in 2012 waren die Themen: „…”. Ausweislich eines in den Akten des Beklagten befindlichen Ausdrucks der Internetseite der Frau Dr. C C (14. September 2015) werden die Seminare zur Gesamtthematik Adoptiv- und Pflegekind angeboten. Alle Inhalte seien praxisorientiert aufgebaut und mit zahlreichen Beispielen versehen. Besonders wichtig sei dabei die sofortige Umsetzbarkeit für Eltern und Betroffene. Für die Seminarteilnahme fielen Gebühren i.H.v. 620 € (Rechnung vom 8. Februar 2012) sowie Fahrtkosten i.H.v. 243 € an.

Eine Kostenerstattung auf sozialrechtlicher Grundlage erfolgte trotz Betreibens der Kläger nicht und auch die Versicherung des Klägers (…) erstattete die Aufwendungen für den Seminarblock … des Jahres 2012 bei Frau Dr. C C nicht (Schreiben vom 16. August 2013).

Der Beklagte, der beide Kinder wie im Vorjahr als Pflegekinder anerkannte, ließ die Aufwendungen in der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zu, wogegen sich die Kläger mit dem Einspruch wandten. Sie machten geltend, dass es sich bei den Seminaren von Frau Dr. C C zur Behandlung und Förderung von hochproblematischen Pflege- und Adoptivkindern um eine psychologische Beratung gehandelt habe. Zur Begründung der medizinischen Notwendigkeit verwiesen sie auf die ärztliche „Bescheinigung für das Finanzamt” des Amts- und Sozialärztlichen Dienstes des Kreises T vom 11. Februar 2015, der u.a. eine langfristige psychologische Pflegefamilienberatung (einschließlich Gruppenberatungen und Seminare für Pflegeeltern) für medizinisch notwendig erachtet.

Nach Erlass eines Änderungsbescheides zugunsten der Kläger führte der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung aus, dass wegen der streitigen Aufwendungen allein eine Berücksichtigung als Krankheitskosten in Betracht komme. Im Streitfall seien die entstandenen Aufwendungen allerdings nicht unmittelbar zur Heilung einer Krankheit der Kinder entstanden. Im Übrigen fehle es am formellen Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen. Im Streitfall sei § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) einschlägig, da es sich um eine psychotherapeutische Behandlung gehandelt habe.

Mit der Klage machen die Kläger u.a. geltend, der Beklagte erweitere die Nachweisanforderungen in unzulässiger Weise, indem er „psychologische Pflegefamilienberatung” mit „psychotherapeutischer Behandlung” gleichsetze.

B...

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