Entscheidungsstichwort (Thema)

Pfändung einer Internet-Domain

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Gegenstand zulässiger Pfändung in eine "Internet-Domain" ist die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, dem Domain-Inhaber gegen die Vergabestelle aus dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis zustehen. Diese stellen ein Vermögensrecht im Sinne von § 857 Abs. 1 ZPO dar.

2) Diese Ansprüche - und nicht die "Internet-Domain" selbst sind Gegenstand der Pfändung.

3) Eine Pfändungsverfügung, die lautet: Der Anspruch auf Aufrechterhaltung der Registrierung ‘X.de’ als Hauptanspruch aus dem mit der Internet-Domain Vergabestelle geschlossenen Registrierungsvertrag und alle weiteren aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Nebenansprüche" ist rechtmäßig.

4) Die Registrierungsstelle ist auch Drittschuldnerin.

 

Normenkette

AO §§ 321, 309; ZPO § 857 Abs. 1; AO § 316

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.06.2017; Aktenzeichen VII R 27/15)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Pfändungsverfügung und hier insbesondere um die Frage, ob und ggfs. wie eine Internet-Domain gepfändet werden kann.

Die Klägerin – eine Genossenschaft – verwaltet und betreibt als Registrierungsstelle Internet-Domains, insbesondere unterhalb der X-Domain .de, und nimmt alle damit zusammenhängenden Aufgaben wahr. Dazu gehören beispielsweise die Unterhaltung der entsprechenden Anlagen, die Beratung und Schulung der Mitglieder, die Betreuung und Information der Inhaber registrierter Domains und die Wahrnehmung der genossenschaftlichen wie der Interessen der gesamten deutschen Internetgemeinschaft, § 2 Abs. 1 des Statutes der Klägerin (Blatt 182 der Gerichtsakte).

Wer eine Domain registrieren lassen will, kann sich direkt an die Klägerin oder an jeden Provider aus der Liste der Mitglieder der Klägerin wenden und bei diesem die Registrierung in Auftrag geben. Unabhängig von der Entscheidung für einen bestimmten Provider erfolgt die Domainregistrierung selbst durch die Klägerin. Daher besteht neben dem Vertragsverhältnis mit einem Provider (über den bestellten Service und die Domainverwaltung) immer auch ein Vertragsverhältnis mit der Klägerin, die allein die Registrierung vornehmen kann. Mit Abschluss des Registrierungsvertrages erhält der Anmelder einen Anspruch auf Registrierung nach Maßgabe der Registrierungsbedingungen und -richtlinien der Klägerin. Dieser Anspruch ist gerichtet auf die Eintragung der Domain in das Register der Klägerin und den Primary Nameserver. Daneben bestehen weitere Ansprüche des Domaininhabers wie z.B. die auf Anpassung des Registers an seine veränderten persönlichen Daten oder ihre Zuordnung zu einem anderen Rechner durch Änderung der IP-Nummer. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Domainrichtlinien (Blatt 194 ff der Gerichtsakte) und die Domainbedingungen der Klägerin (Blatt 201 ff der Gerichtsakte), die für den jeweiligen Domainvertrag zwischen ihr und dem einzelnen Domaininhaber gelten, verwiesen.

Aufgrund rückständiger Steuern und steuerlicher Nebenleistungen des Vollstreckungsschuldners P., der einen Online-Shop mit Unterhaltungselektronik betreibt, in Höhe von insgesamt 89.079,10 € erließ der Beklagte unter dem 15.05.2013 eine Pfändungsverfügung gegenüber der Klägerin als Drittschuldnerin. Darin pfändete der Beklagte den Anspruch des Vollstreckungsschuldners auf Aufrechterhaltung der Registrierung „P.de” als Hauptanspruch aus dem mit der Klägerin geschlossenen Registrierungsvertrag und alle weiteren sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Nebenansprüche. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Pfändungsverfügung vom 15.05.2013 (Vollstreckungsakte) verwiesen.

Mit ihrem Einspruch gegen die Pfändungsverfügung berief sich die Klägerin insbesondere darauf, dass sie bei der Zwangsvollstreckung in Domains unter .de nicht Drittschuldnerin sei und daher auch nicht Adressatin einer Pfändungsverfügung sein könne. Darüber hinaus sei die Pfändungsverfügung rechtswidrig, weil sie die tragenden Rechtsvorschriften nicht hinreichend genau bezeichne und auch dem Schuldner P. nicht zugestellt worden sei.

Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 18.02.2014 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen der §§ 309 ff AO seien vorliegend gegeben. Die Steuerbescheide gegen den Schuldner P. seien sämtlich vollstreckbar und der Schuldner erfolglos zur Leistung aufgefordert worden. Die Vollstreckung erfolge auch nach § 321 AO (vergleichbar der Vorschrift des § 857 Abs. 1 ZPO), da es sich bei den Ansprüchen aus dem Domain-Vertrag um andere Vermögensrechte handele. Die Frage, ob und wie eine Domain gepfändet werden könne, sei mittlerweile durch den Bundesgerichtshof (BGH) höchstrichterlich geklärt. Nach dessen Grundsatzentscheidung, Beschluss vom 05.07.2005 VII ZB 5/05, NJW 2005, 3353 sei Gegenstand zulässiger Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO in eine „Internet-Domain” die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle aus dem der Domainregistrierung zugrunde liege...

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