Entscheidungsstichwort (Thema)

Unpfändbarkeit der Corona-Soforthilfe

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die sog. Corona-Soforthilfe ist als zweckgebundene Forderung nicht übertragbar und unterliegt damit dem Pfändungsverbot nach § 851 Abs. 1 ZPO.

2) Sofern der Vollstreckungsschuldner mit der Pfändung in die Corona-Soforthilfe schwerwiegende Nachteile glaubhaft machen kann (Anordnungsgrund), kann die Vollstreckung im Wege der einstweiligen Anordnung – gestützt auf einen Anspruch auf Vollstreckungsschutz gemäß § 258 AO (Anordnungsanspruch) – ausgesetzt und die Auszahlung der Corona-Soforthilfe angeordnet werden.

 

Normenkette

AO § 258; ZPO § 851 Abs. 1; FGO § 114

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin begehrt im Rahmen einer einstweiligen Anordnung die Beschränkung der von dem Antragsgegner ausgebrachten „Kontopfändung”.

Die Antragstellerin meldete nach den Angaben des Antragsgegners im Oktober 2017 einen seit dem 01.07.2017 ausgeübten Gebäudereinigungs- und Hausmeisterservice an. Nach den Angaben im vorliegenden Verfahren betreibt sie einen Malerbetrieb und hat einen Angestellten. Sie unterhielt bereits vor 2017 ein Konto bei der Sparkasse … (im Folgenden: Sparkasse) mit der IBAN …. Das Konto wird als sog. P-Konto (Pfändungsschutzkonto nach § 850k der Zivilprozessordnung –ZPO–) geführt. Bezüglich des Kontos sind nach Aktenlage mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse bzw. -verfügungen u.a. auch von dem Antragsgegner für bei ihm bestehende Steuerrückstände ausgebracht worden (vgl. von der Antragstellerin eingereichte Pfändungsabfrage der Sparkasse vom 29.04.2020):

Gesamtforderung

Gesamtforderung

Zustellungsdatum

aktuell

aktuell

Gläubiger

23.08.2011

4.274,28 €

5.342,29 €

28.11.2011

1.116,04 €

1.474,06 €

05.04.2012

1.292,90 €

1.578,20 €

22.06.2012

1.787,61 €

1.787,61 €

Antragsgegner

28.01.2013

3.063,41 €

3.063,41 €

Antragsgegner

22.01.2014

527,43 €

527,43 €

19.01.2016

86,40 €

86,40 €

09.02.2016

511,78 €

511,78 €

19.02.2016

256,89 €

280,09 €

31.03.2016

615,38 €

728,88 €

31.07.2018

1.874,02 €

1.769,02 €

Antragsgegner

15.03.2019

726,75 €

726,75 €

Antragsgegner

16.05.2019

5.683,47 €

5.683,47 €

Antragsgegner

15.08.2019

604,16 €

604,16 €

19.08.2019

3.623,00 €

1.688,50 €

Antragsgegner

06.09.2019

4.494,00 €

1.951,39 €

Antragsgegner

16.12.2019

4.481,50 €

1.852,17 €

Antragsgegner

18.02.2020

650,81 €

650,81 €

Antragsgegner

16.03.2020

128,50 €

128,50 €

Summe

35.798,33 €

30.434,92 €

davon „Kontopfändungen” des Antragsgegners:

22.06.2012

1.787,61 €

1.787,61 €

Antragsgegner

28.01.2013

3.063,41 €

3.063,41 €

Antragsgegner

31.07.2018

1.874,02 €

1.769,02 €

Antragsgegner

15.03.2019

726,75 €

726,75 €

Antragsgegner

16.05.2019

5.683,47 €

5.683,47 €

Antragsgegner

19.08.2019

3.623,00 €

1.688,50 €

Antragsgegner

06.09.2019

4.494,00 €

1.951,39 €

Antragsgegner

16.12.2019

4.481,50 €

1.852,17 €

Antragsgegner

18.02.2020

650,81 €

650,81 €

Antragsgegner

Summe

26.384,57 €

19.173,13 €

davon „Kontopfändungen” anderer Gläubiger:

23.08.2011

4.274,28 €

5.342,29 €

28.11.2011

1.116,04 €

1.474,06 €

05.04.2012

1.292,90 €

1.578,20 €

22.01.2014

527,43 €

527,43 €

19.01.2016

86,40 €

86,40 €

09.02.2016

511,78 €

511,78 €

19.02.2016

256,89 €

280,09 €

31.03.2016

615,38 €

728,88 €

15.08.2019

604,16 €

604,16 €

16.03.2020

128,50 €

128,50 €

Summe

9.413,76 €

11.261,79 €

davon „bevorrechtige Kontopfändungen” anderer Gläubiger vor der „ersten” Pfändung

des Antragsgegners (Zustellungsdatum: 22.06.2012):

23.08.2011

4.274,28 €

5.342,29 €

28.11.2011

1.116,04 €

1.474,06 €

05.04.2012

1.292,90 €

1.578,20 €

Summe

6.683,22 €

8.394,55 €

Mit Bescheid (Billigkeitszuschuss) der Bezirksregierung … vom 09.04.2020 wurde der Antragstellerin gemäß § 53 Landeshaushaltsordnung (LHO) i.V.m. dem Bundesprogramm „Soforthilfen für Kleinstunternehmer und Selbständige” eine Soforthilfe in Höhe von 9.000,– EUR als einmalige Pauschale bewilligt. Diese werde überwiesen auf das Konto bei der Sparkasse mit der IBAN …. Bei der Soforthilfe handele es sich um eine Kleinbeihilfe gemäß der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch COVID-19 „Bundesregierung Kleinbeihilfen 2020”). In dem Bescheid wird weiter ausgeführt: „… 2. Zweckbindung: Die Soforthilfe erfolgt ausschließlich zur Milderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens bzw. des Selbstständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie als Einmalzahlung für einen Bewilligungszeitraum von drei Monaten ab Antragstellung. Die Soforthilfe dient insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 1. März 2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind. Nicht umfasst sind vor dem 1. März 2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. Liquiditätsengpässe. 3. Aufrechnungsverbot: Für die bewilligte Soforthilfe gilt ein direktes Verrechnungs- bzw. Aufrechnungsverbot mit bereits bestehenden Kreditlinien beim jeweiligen Kreditinstitut. Bei Überweisung der Soforthilfe darf es ni...

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