Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigentum am Haftungsgegenstand im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschulden für Haftungsinanspruchnahme gem. § 74 AO ausreichend

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Voraussetzungen des Haftungstatbestandes „Überlassen des Gegenstandes” und „wesentliche Beteiligung” müssen nur bei Entstehen der betrieblichen Steuerschulden, nicht aber bei Inanspruchnahme des Eigentümers als Haftungsschuldner vorgelegen haben.

2. Ob er Haftungsgegenstand von anderen Unternehmern mitbenutzt wurde, ist ohne Bedeutung.

3. Nach Unterbrechung des Rechtsstreits durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens können sowohl der Gemeinschuldner als auch das Finanzamt den Rechtsstreit aufnehmen, wenn der Insolvenzverwalter dessen Aufnahme abgelehnt hat.

4. Für Feststellungsanträge zur Begründetheit des Widerspruchs des Insolvenzverwalters gegen die Anmeldung zur Tabelle besteht in einem eine titulierte insolvenzbefangene Forderung betreffenden Rechtsstreit kein berechtigtes Interesse.

 

Normenkette

AO § 74; FGO §§ 41, 102, 155, 251 Abs. 3; ZPO § 240 Abs. 1; InsO §§ 85, 180 Abs. 2, § 183 Abs. 1, § 185 S. 2

 

Streitjahr(e)

2000

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.03.2006; Aktenzeichen VII R 11/05)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger gemäß § 74 Abgabenordnung (AO) für Steuerschulden der Firma C-GmbH & Co. KG haftet.

Der Kläger betrieb unter der Firma C-…ein Einzelunternehmen. Gegenstand des Unternehmens war die Verpachtung von…im Rahmen der von ihm beherrschten C-Gruppe.

...

Zu den Gesellschaften der C-Gruppe gehörte auch die C- GmbH & Co. KG (im Weiteren: KG), an der der Kläger als Kommanditist zu 100 % beteiligt war. Über das Vermögen der KG wurde wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung am 08.11.2000 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Kläger hat mit der KG am 10.08.1995 einen Pachtvertrag über die Grundstücke mit Geschäfts-, Fabrik- und anderen Bauten in N-Stadt,…sowie über die Maschinen und maschinellen Anlagen, die Betriebs- und Geschäftsausstattung und den Fuhrpark abgeschlossen. Die Verpachtung erstreckte sich auch auf die von dem Kläger in Zukunft zu erwerbenden Gegenständen des Sachanlagevermögens. Wegen der Einzelheiten des Pachtvertrages wird auf Blatt 76 ff der FG-Akte Bezug genommen. Der jährliche Pachtzins belief sich auf 840.000,00 DM netto. Neben dem Pachtzins war die jeweils gültige Umsatzsteuer zu bezahlen.

Mit Haftungsbescheid vom 08.11.2000 nahm der Beklagte den Kläger nach vorheriger Anhörung gemäß § 69 AO und § 74 AO für Steuerrückstände der KG in Anspruch. Die Haftungssumme betrug 2.350.693,62 DM. Sie setzte sich zusammen aus Umsatzsteuer-Vorauszahlungen Juni 1999, Juli 1999, August 1999, September 1999, Oktober 1999, Dezember 1999 und Januar bis August 2000 sowie Zinsen und Verspätungszuschlägen. Wegen der Einzelheiten der Steuerforderungen wird auf die Anlage zum Haftungsbescheid Bezug genommen. Zur Begründung der Haftungsinanspruchnahme gemäß § 74 AO führte das Finanzamt aus, dass es, da der Kläger die Schreiben vom 24.08.2000 und 28.09.2000 nicht beantwortet habe, auf Grund seiner sich aus den Akten ergebenden Kenntnisse zu entscheiden habe. Daraus ergäbe sich, dass der Kläger zu mehr als 25 % an der KG beteiligt und Eigentümer der Grundstücke N-Stadt sei, welche der KG in vollem Umfang seit Beginn des Unternehmens bis zum heutigen Tage dienten. Die Grundstücke stellten wesentliche Betriebsgrundlagen der KG dar. Da die Haftung gemäß § 74 AO auf Betriebssteuern beschränkt sei, hafte der Kläger gemäß § 191 AO i. V. m. § 74 AO für einen Betrag von 2.235.136,62 DM. Eine Inanspruchnahme der KG selbst habe nicht zum Erfolg geführt. Das Finanzamt halte es deshalb für ermessensgerecht, den Kläger als die für die Nichtzahlung verantwortliche Person zur Haftung heranzuziehen. Unabhängig davon werde geprüft, ob noch andere Personen auf Grund der zur Verfügung stehenden Haftungsvorschriften für eine Haftung in Frage kämen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Haftungsbescheides wird auf den Haftungsbescheid vom 08.11.2000 Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung berief er sich darauf, dass es sich bei dem Grundbesitz nicht um dem Unternehmen dienende Gegenstände i. S. dieser Vorschrift gehandelt habe. Mit Einspruchsentscheidung vom 23.05.2002 setzte der Beklagte die Haftungssumme auf 2.051.931,60 DM (1.049.136,00 €) herab, außerdem begrenzte er die Haftung auf § 74 AO und nach Maßgabe dieser Regelung gegenständlich auf das Grundstück N-Stadt, (Grundbuch des Amtsgerichts N-Stadt, Gemarkung , Grundbuchblatt-Nr.…Flur ..., Flurstück ...), das Grundstück N-Stadt, (Grundbuch des Amtsgerichts N-Stadt, Gemarkung ..., Grundbuchblatt-Nr. ..., Flur ..., Flurstücke ...) und das Grundstück N-Stadt, (Grundbuch des Amtsgericht N-Stadt, Gemarkung ..., Grundbuchblatt-Nr. ..., Flur ..., Flurstücke ...) und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung der Einspruchsentscheidung führte das Finanzamt u. a. aus, dass die Voraussetzungen des § 74 AO erfüll...

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