Die Bundesrechtsanwaltskammer hat ihre Richtlinien zur Bewertung von Rechtsanwaltskanzleien aktualisiert.[1]

Die Richtlinien sollen einen "ersten Einstieg zur Ermittlung des Kanzleiwerts" geben. Insbesondere wird klargestellt, dass diese Richtlinien keine Unternehmensbewertung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen vornehmen, weil man sich am sogenannten Umsatzverfahren als einer Methode der vereinfachten Preisfindung orientiert. Der so ermittelte Wert sei daher "nicht (als) absolut zu verstehen"!?

Dann heißt es weiter wörtlich: "Insbesondere darf er nicht mit dem Marktwert verwechselt werden." Es wird also kein Verkehrswert, sondern nur eine Orientierungsgröße für Vertragsverhandlungen ermittelt.[2]

Gleichwohl werden als Bewertungsanlass die Ausgleichsansprüche im Zugewinnverfahren[3] und die Berechnung von Pflichtteils-/Pflichtteilsergänzungsansprüchen ausdrücklich genannt.

Die Leitlinien kombinieren dann überkommen einen Substanzwert und einen ideellen Wert, wobei Letzterer mit dem Umsatzverfahren ermittelt wird.

Beim Substanzwert sind danach das Anlagevermögen, die Forderungen (die liquiden Mittel nicht?) und die Kanzleiverbindlichkeiten zu bewerten.

Für das Umsatzverfahren zur Ermittlung des ideellen Werts wird dann vergangenheitsorientiert von den Umsätzen der letzten drei Kalenderjahre ausgegangen, wobei das letzte Kalenderjahr doppelt gewichtet wird.

Es erfolgt dann eine Umsatzbereinigung von außerordentlichen Einnahmen, die in besonderer Weise mit der Persönlichkeit des Kanzleiinhabers zusammenhängen. Beispiele sind dabei unter anderem Autorentätigkeit, Referententätigkeit, Testamentsvollstreckertätigkeit, Insolvenzverwaltertätigkeit, Betreuer-, Vermögensverwalter-, Sachverständigen- und Treuhändertätigkeit.

Der so ermittelte Umsatz wird dann mit einem Berechnungsfaktor, der zwischen 0,3 und 1,0 liegen soll, multipliziert.

Zur Ermittlung dieses Faktors werden diverse Ermittlungsmerkmale genannt, wie beispielsweise die Dauer des Bestehens der Kanzlei, überdurchschnittlich hohe Kanzleikosten und ein breit gestreuter Mandantenkreis.

Die weiteren folgenden Ausführungen zur Bewertung von Sozietätsanteilen bis hin zur Auflösung einer Sozietät geben immerhin einen warnenden Hinweis auf die steuerlichen Gefahren der Aufdeckung stiller Reserven am Ende der Leitlinien.

Die neuen BRAK-Leitlinien regen zudem eine Plausibilitätskontrolle an, wenn der ermittelte Wert nicht angemessen sein soll. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn unter Berücksichtigung eines kalkulatorischen Unternehmerlohns kein Gewinn erzielt werde. Dann sei das modifizierte Ertragswertverfahren vorzugswürdig.

Kritische Würdigung

Trotz der klaren Absage des BGH[4] an die Multiplikatorverfahren, weil diese keinen Verkehrswert ermitteln und nur eine subjektive Bewertung zur Ermittlung der Preisober- bzw. Preisuntergrenze vornehmen, lässt die BRAK das umsatzorientierte Multiplikatorverfahren wiederaufleben.

Das Umsatzverfahren ist zudem vergangenheitsorientiert,[5] lässt die Kosten weitestgehend unberücksichtigt und der Multiplikator ist durch nichts verifizierbar.[6]

Nach eigener Einschätzung der Richtlinien wird zwar kein Marktwert ermittelt. Gleichwohl wird als Bewertungsanlass das Zugewinnausgleichsverfahren genannt, das gerade als objektivierter Bewertungsanlass den Marktwert verlangt. Dabei erfolgt noch eine Gewichtung der Vergangenheitsergebnisse, sodass keine zukunftsorientierte Bewertung erfolgen kann.

Der so ermittelte Durchschnittswert wird ohne Berücksichtigung eines kalkulatorischen Unternehmerlohns (wenigstens keine Anknüpfung an Richtergehälter mehr!) mit einem Multiplikator von 0,3 bis 1,0 versehen.

Dieser zu ermittelnde Multiplikator ist durch nichts verifizierbar und deshalb als unwissenschaftlich abzulehnen!

Die modifizierte Ertragswertmethode soll entgegen der BGH-Rechtsprechung nur dann zur Anwendung kommen, wenn unter Berücksichtigung eines hier zu berücksichtigenden kalkulatorischen Unternehmerlohns kein positiver Ertrag erzielt wird. Offenbar soll nicht der Liquidationswert, sondern in diesem Fall ein niedrigerer Ertragswert (ein Niederstwertprinzip ähnlich wie bei §§ 1376 Abs. 4,[7] 2325 Abs. S. 2 BGB) als Wertuntergrenze dienen. Dies widerspricht aber den gesetzlichen Regeln in § 1376 Abs. 1, Abs. 2 BGB, die ein Niederstwertprinzip nicht kennen.

Bei der Bewertung von Sozietätsanteilen sollen die Regeln des Gesellschaftsvertrages zur Anwendung gebracht werden, was wiederum der Rechtsprechung des BGH[8] widerspricht.

Danach hat eine Bewertung nach den Regeln des Gesellschaftsvertrages nur dann zu erfolgen, wenn das Gesellschaftsvertragsverhältnis zum Bewertungsstichtag tatsächlich gekündigt ist.

Fazit

Die Leitlinien nehmen die modifizierte Ertragswertmethode[9] des BGH nur im Zuge einer Plausibilitätskontrolle zur Kenntnis. Der BGH hat die modifizierte Ertragswertmethode bei Freiberuflerpraxen (auch in Form einer GmbH) uneingeschränkt als die geeignete Bewertungsmethode zur Ermittlung eines Verkehrswerts kreiert.

Dem folgt das IDW[10] u...

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