Mit seinem Beschluss vom 22.3.2018 hat das BVerfG – unter Rückgriff auf eine eindeutige gesetzliche Grundlage sowie die hierauf aufbauende gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung – die Annahme einer Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung verneint.

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG und stützt diese Einschätzung auf die Erwägungen, das Beschwerdegericht habe nicht nur einen aus seiner Sicht bestehenden verfassungsrechtlichen Vorrang der gemeinsamen elterlichen Sorge vor der Alleinsorge verkannt, sondern auch, dass Eltern – selbst bei einer tiefen Zerstrittenheit – zu kindeswohlverträglichen Lösungen gelangen könnten.

Durch Urteil vom 3.11.1982 entschied das BVerfG[1], dass die in § 1671 Abs. 4 S. 1 BGB a.F. enthaltene Regelung, wonach bei Scheidung der Eltern zwingend einem Elternteil die elterliche Sorge zu übertragen war, eine Verletzung von Art. 6 Abs. 2 S. 1 BGB darstellte. Auf der Grundlage dieser Entscheidung eröffnete sich in der Folge für die Familiengerichte in Scheidungsverfahren die Möglichkeit, auf Beibehaltung der gemeinsamen Sorge zu erkennen. Da von dieser Option jedoch in sehr unterschiedlicher Form Gebrauch gemacht wurde, sah sich letztlich der Gesetzgeber der Notwendigkeit gegenüber, der bestehenden Rechtsunsicherheit mit einer Neuregelung des § 1671 BGB a.F. zu begegnen. Anknüpfungspunkt hierzu war das zum 1.7.1998 in Kraft getretene KindRG.[2] Ausdrücklich nahm der Gesetzgeber jedoch davon Abstand, eine Entscheidung dahin zu treffen, ob der gemeinsamen Sorge der Vorrang vor der Alleinsorge zu geben sei. Die Entscheidung zur Beibehaltung der gemeinsamen Sorge auch nach Trennung und Ehescheidung sollte vielmehr den Eltern vorbehalten sein, d.h. nur bei ausdrücklichem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der Alleinsorge sollte es einer familiengerichtlichen Entscheidung bedürfen, orientiert an der erstmals in der damaligen Fassung von § 1671 BGB vorgesehenen doppelten Kindeswohlprüfung.[3] In der Gesetzesbegründung wurde ausdrücklich darauf verwiesen, dass es keine Grundlage gab für die Präferenz zugunsten der einen oder anderen Form der elterlichen Sorge mangels tragfähiger Erkenntnisse, insbesondere aus kinderpsychologischer oder familiensoziologischer Forschung.[4]

Erwägungen in der Praxis, aus der Aufgabe der bislang zwingenden Verbundentscheidung zur elterlichen Sorge und der Einführung der Antragsnotwendigkeit zu einer familiengerichtlichen Entscheidung zur elterlichen Sorge einen vom Gesetzgeber gleichwohl gewollten Vorrang der gemeinsamen elterlichen Sorge abzuleiten, ist der BGH bereits im Jahr 1999 mit einer Grundsatzentscheidung entgegengetreten. Unter Verweis auf die eindeutige Gesetzesbegründung hat der BGH festgestellt, dass es gerade keine gesetzliche Vermutung für die Annahme gibt, die gemeinsame Sorge sei die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung.[5] An dieser Rechtsprechung hat der BGH durchgängig festgehalten[6] – auch im Zuge seiner Grundsatzentscheidung zu § 1626a Abs. 2 BGB.[7] Ebenso hat das BVerfG in ständiger Rechtsprechung hervorgehoben, dass sich weder aus der Gesetzesbegründung noch aus dem Wortlaut von § 1671 BGB ein Vorrang zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge ableiten lässt.[8] Dabei hat es durchgängig und zutreffend darauf verwiesen, dass es für die gemeinsame Ausübung der elterlichen Verantwortung eines Mindestmaßes an elterlicher Übereinstimmung bedarf, die sich am Kindeswohl auszurichten hat,[9] da sich denknotwendig eine elterliche Gemeinsamkeit in der Realität auch nicht verordnen lässt. Ohne objektive Kooperationsfähigkeit und subjektive Kooperationswilligkeit der Eltern ist eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge undenkbar. Eltern müssen willens und in der Lage sein, im Interesse des Kindes eigene Belange zurückzustellen und den jeweils anderen Elternteil als gleichwertigen Bindungspartner des Kindes zu akzeptieren.[10]

Neben der Kooperationsfähigkeit und -willigkeit der Eltern bedarf es im Rahmen der doppelten Kindeswohlprüfung der näheren Beleuchtung jener Kriterien, die den unbestimmten Rechtsbegriff des Kindeswohls näher präzisieren. Die Aspekte der Kontinuität, der Förderung, der Bindungstoleranz, der Geschwisterbindung sowie des Kindeswillens stehen kumulativ nebeneinander, wobei in der gebotenen Einzelfallprüfung einem dieser Kriterien letztlich aber auch zentrale Bedeutung zukommen kann. Gerade bei Jugendlichen hat der von ihnen geäußerte Wille erhöhte Bedeutung, da dieser Wille des Kindes als Grundrechtsträger[11] mit zunehmendem Alter auch Ausdruck seines Rechts auf Selbstbestimmung ist[12] und ihm die Möglichkeit gibt, seine Bindungen zu einem Elternteil im gerichtlichen Verfahren zu formulieren.[13] Eröffnet sich im Rahmen der Kindesanhörung für das Gericht die Einschätzung, dass der feste und nachvollziehbar erklärte Kindeswille auch objektiv mit dem Kindeswohl in Einklang steht,[14] so kann letztlich der nachhaltig erklärte Wille eines Jugendlichen...

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