[1] A. Der Antragsteller begehrt die gemeinsame elterliche Sorge mit der Antragsgegnerin für die am 3.9.2009 geborene gemeinsame Tochter L.

[2] Der Antragsteller (im Folgenden: Vater) und die Antragsgegnerin (im Folgenden: Mutter) lebten bis 2012 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Aus dieser ist neben der betroffenen Tochter ein im Jahr 2000 geborener Sohn hervorgegangen. Für den Sohn, der beim Vater wohnt, üben die Eltern das Sorgerecht gemeinsam aus. Für ihre Tochter haben sie keine Sorgeerklärungen abgegeben.

[3] Das Amtsgericht hat die Eltern persönlich angehört. Es hat einen Verfahrensbeistand bestellt, diesen wie auch das Jugendamt angehört und sodann den Antrag des Vaters zurückgewiesen. Auf dessen Beschwerde hat das Oberlandesgericht im schriftlichen Verfahren ohne persönliche Anhörungen der Beteiligten die elterliche Sorge für das Kind den Eltern gemeinsam übertragen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.

[4] B. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

[5] I. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

[6] Voraussetzung der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge auf beide Eltern sei nach § 1626a Abs. 2 S. 1 BGB, dass die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspreche. Aus der doppelten Verneinung ergäben sich die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die negative Kindeswohlprüfung. Die gemeinsame elterliche Sorge sei anzuordnen, wenn keine Gegengründe festgestellt werden könnten. Damit habe der Gesetzgeber eine widerlegliche Vermutung eingeführt, die für die Kindeswohldienlichkeit der gemeinsamen elterlichen Sorge spreche, wenn ein Elternteil durch seinen Antrag zu erkennen gebe, dass er die gemeinsame Sorge vorziehe. Diese Vermutung dürfe durch Ermittlungen von Amts wegen nicht beeinträchtigt werden. Zwar müsse das Gericht Anhaltspunkten, auch aus Quellen außerhalb des Vortrags der Beteiligten, die gegen die gemeinsame Sorge sprechen, nachgehen. Ermittlungen, die auf Tatsachen gerichtet seien, die für eine gemeinsame Sorge sprechen, müssten aber nicht durchgeführt werden. Die vor Einführung des Antragsrechts des Vaters vertretene Auffassung, es gebe weder eine rechtlich noch eine tatsächlich begründete Vermutung für den Vorrang der gemeinsamen Sorge vor der Alleinsorge, könne sich dagegen nicht mehr durchsetzen. Der Vortrag der Antragsgegnerin, des Verfahrensbeistands und des Jugendamts sei nicht geeignet, die Vermutung der Kindeswohldienlichkeit der gemeinsamen Sorge zu widerlegen. Zur Erschütterung der Vermutung geeignete Gesichtspunkte für ungünstige Auswirkungen auf das Kindeswohl und eine günstige Prognose der Alleinsorge der Antragsgegnerin ließen sich dem Vortrag der Beteiligten nicht entnehmen. Es sei nicht zu erwarten, dass durch eine Ablehnung der gemeinsamen Sorge die derzeit offensichtlich unzulängliche, dringend verbesserungsbedürftige Kommunikation zwischen den Eltern gefördert und der Elternstreit beendet würde. Das Kind fühle sich nicht durch Entscheidungen der Eltern belastet, sondern durch den Umstand, dass beide nicht miteinander reden. Dem Willen des nicht ganz sechs Jahre alten Kindes komme jedenfalls kein entscheidendes Gewicht zu. Altersgemäß werde die Fähigkeit zur Beurteilung tatsächlicher Umstände und erst recht hypothetischer Verläufe nicht ausgeprägt sein. Mit dem Ermessen der Bedeutung eines abstrakten Gedankenbildes wie dem Rechtsinstitut der elterlichen Sorge werde dem Kind zu viel abverlangt. Auch sonst seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen die gemeinsame elterliche Sorge sprächen. Daher sei auch im Beschwerdeverfahren nach § 155a Abs. 3 und 4 S. 1 FamFG in einem schnellen, schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

[7] II. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

[8] 1. Das Oberlandesgericht hat seiner Entscheidung zutreffend die Vorschriften in der Fassung des Gesetzes zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vom 16.4.2013 (BGBl I, 795) zugrunde gelegt. Dieses Gesetz ist zwar erst am 19.5.2013 und damit nach der Einleitung des erstinstanzlichen Verfahrens in Kraft getreten. Nach Art. 229 § 30 EGBGB ist der Antrag des Vaters aber ab dem Inkrafttreten des Gesetzes als Antrag nach § 1626a Abs. 2 BGB zu behandeln. Da das Gesetz keine weitere Übergangsvorschrift enthält, sind dessen Regelungen auch in Verfahren anzuwenden, die bei Inkrafttreten noch nicht abgeschlossen waren.

[9] 2. Nach § 1626a Abs. 2 BGB überträgt das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kin...

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