Wie oben mehrfach dargelegt, ist der Unterhaltspflichtige nach § 1603 Abs. 2 BGB gehalten, alle verfügbaren Mittel zu seinem und der minderjährigen Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Der ihm zu belassende notwendige Selbstbehalt dient dazu, ihm einen Anteil seines Einkommens zu belassen, der den eigenen sozialhilferechtlichen Bedarf sichert und auf der Grundlage des jeweiligen Unterhaltsanspruchs und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles angemessen darüber hinausgeht. Kann der Unterhaltspflichtige nicht den vollen Unterhaltsbedarf des Berechtigten erfüllen, ist keine Rechtfertigung dafür ersichtlich, ihm mehr zu belassen, als er in seiner konkreten Situation für den notwendigen eigenen Bedarf benötigt.[44]

Ausgehend von diesem Grundsatz kann nach der Rechtsprechung des BGH[45] eine Herabsetzung des notwendigen Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen bis auf den notwendigen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen in Betracht kommen, wenn der Unterhaltspflichtige in einer neuen Lebensgemeinschaft wohnt und dadurch Kosten für die Wohnung oder die allgemeine Lebensführung erspart. In einem solchen Fall muss er sich auch sozialhilferechtlich auf einen im Rahmen seiner Bedarfsgemeinschaft geringeren Bedarf verweisen lassen.

Zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der unterhaltspflichtige Elternteil (neu) verheiratet ist und die Fälle, in denen er mit einem neuen Partner unverheiratet zusammenlebt. Ist der Unterhaltspflichtige verheiratet, stellt sich die Frage, ob seine Kosten für die Wohnung oder die allgemeine Lebenshaltung durch die gemeinsame Haushaltsführung reduziert werden. In solchen Fällen ist nach der Hausmannrechtsprechung des BGH[46] darauf abzustellen, ob der Unterhaltsschuldner gegen seinen neuen Ehegatten nach § 1360a BGB einen Anspruch auf Familienunterhalt hat, der im Falle der Leistungsfähigkeit des neuen Ehegatten seinen Selbstbehalt ganz oder teilweise deckt (dazu s.o.).

Auch wenn dem Unterhaltspflichtigen weder ein Anspruch auf Familienunterhalt noch ein Anspruch für Versorgungsleistungen zusteht, kommt eine Herabsetzung des ihm zu belassenden notwendigen Selbstbehalts wegen ersparter Kosten durch die gemeinsame Haushaltsführung in Betracht. Das gilt sowohl für die Kosten der Wohnung als auch für die allgemeinen Lebenshaltungskosten. Denn eine gemeinsame Haushaltsführung führt regelmäßig zu einer Kostenersparnis oder zu Synergieeffekten, die jeden Lebenspartner hälftig entlasten.[47] Dies betrifft z.B. die Heizkosten, die sich nicht dadurch erhöhen, dass sich mehrere Personen in einem Raum befinden. Selbst wenn der Raumbedarf durch die Anzahl der dort lebenden Personen regelmäßig steigt, erreichen die Wohnkosten der Gemeinschaft nicht die Summe der Wohnkosten mehrerer Einzelhaushalte.

Im Falle des Zusammenlebens des unterhaltspflichtigen Elternteils mit einem neuen Partner kann es wegen des Synergieeffektes zu einer gerechtfertigten gemeinsamen Haushaltsersparnis von 10 % des Gesamtbedarfs der Lebenspartner kommen.[48] Das hat zur Folge, dass der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen um 10 % herabzusetzen ist.[49]

Allerdings kann eine Kostenersparnis durch eine gemeinsame Haushaltsführung des Unterhaltspflichtigen mit einem neuen Lebenspartner nur dann eintreten, wenn auch der Lebensgefährte über ausreichende Einkünfte, und sei es nur aus eigenem Sozialhilfebezug, verfügt, um sich an den Kosten der Lebensführung zu beteiligen. Da die Darlegungs- und Beweislast für seine Leistungsunfähigkeit den Unterhaltspflichtigen trifft, ist es ihm regelmäßig möglich und zumutbar, substantiiert vorzutragen, dass sein neuer Lebensgefährte sich nicht ausreichend an den Kosten der gemeinsamen Lebensführung beteiligen kann.

Die Ersparnis durch eine gemeinsame Haushaltsführung tritt nicht infolge einer – nicht zu berücksichtigenden[50] – freiwilligen Leistung des neuen Lebensgefährten ein. Denn sie ist die Folge davon, dass die Ausgaben infolge eines Synergieeffekts regelmäßig geringer sind, als sie es wären, wenn jeder Partner der Lebensgemeinschaft einen eigenen Haushalt führen würde. Beide Partner der Lebensgemeinschaft werden durch die gemeinsame Haushaltsführung entlastet, ohne dafür eine eigene Leistung erbringen zu müssen.[51]

Der Berücksichtigung der Kostenersparnis in einer neuen Lebensgemeinschaft steht auch nicht entgegen, dass der Unterhaltspflichtige die freie Disposition hat, wie er einen ihm zu belassenden Selbsthalt im Einzelfall verwendet. So ist es dem Unterhaltspflichtigen nicht verwehrt, seine Bedürfnisse anders als in den Unterhaltstabellen vorgesehen zu gewichten und sich z.B. mit einer günstigeren Wohnung zu begnügen, um zusätzliche Mittel für andere Zwecke wie z.B. für Bekleidung, Urlaubsreisen oder kulturelle Interessen einsetzen zu können.[52] Denn bei der Herabsetzung des Selbstbehalts wegen Aufnahme einer neuen Lebensgemeinschaft geht es nicht um die Frage, ob dem Unterhaltsschuldner ein nur geringerer Selbstbehalt belassen werden darf, weil er sich in...

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