Stefan Heilmann (Hrsg.)2015, 1.410 Seiten, 86 EUR, Bundesanzeiger Verlag

Dieser Praxiskommentar hat diese Bezeichnung redlich verdient: Er ist sehr gut handhabbar, zunächst durch die Schnellübersicht über die Gesetze, Übereinkommen und Verordnungen. Die Themen im Inhaltsverzeichnis sind – sehr hilfreich und übersichtlich – nach den wesentlichen Rechtsvorschriften aus den verschiedenen Gesetzen gegliedert und aufgelistet und ermöglichen damit einen sehr direkten Zugang zu der jeweiligen Problematik. Geradezu genial sind die Arbeitshilfen ("Checklisten") und deren Übersicht, nach denen man sich schnell einarbeiten kann. Gerade bei Einarbeitung in ein bisher nicht vertrautes Gebiet vermeidet man durch die Systematik und die Arbeitshilfen, nicht vertraute Vorschriften aus parallel geltenden Gesetzen und Verordnungen zu übersehen.

Im Bereich des Kindschaftsrechts mit Auslandsberührung ist dies vor dem Hintergrund von Globalisierung, Migration und Fluchtbewegungen ganz besonders hilfreich, denn dies ist ein Bereich, der weniger vertraut ist und gleichzeitig in der täglichen Praxis sprunghaft wichtiger wird. Dieser Bereich ist in dem Kommentar außerordentlich praxistauglich dargestellt.

Ein weiteres großes Verdienst dieses Kommentars besteht darin, alle wesentlichen Aspekte des Kindschaftsrechts zusammenzutragen; nicht nur das BGB und das FamFG, sondern auch das Gewaltsschutzgesetz, das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) sowie der immer wichtiger gewordene umfangreiche Anteil zu den Auslandsbezügen von Kindschaftsrecht, deren Aktualität kaum zu überbieten ist (ESÜ, HAÜ, HKÜ, KSÜ, MSA sowie UN-KRK), werden einbezogen.

Eine derartige Gesamtzusammenfassung des Kindschaftsrechts hatte eindeutig gefehlt und schließt damit endlich eine deutliche Lücke in dem großen familienrechtlichen Literaturangebot: Es handelt sich um die erste vollständige Darstellung des Kindschaftsrechts einschließlich des Kinderschutzrechts. Kinder können sich nicht selbst schützen; daher sind sie auf den besonderen Schutz durch die Gesellschaft angewiesen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Eltern nicht in der Lage sind, diesen Schutz zu geben oder die Kinder vor ihren Eltern geschützt werden müssen. Diese Schutzbedürftigkeit legen nicht nur die durch die Medien bekannten Todesfälle von Kindern oder Veröffentlichungen wie "Deutschland misshandelt seine Kinder" (Tsokos/Guddat) nahe, sondern auch die Debatte über die Frage, ob die Grundrechte der Kinder in das Grundgesetz aufgenommen werden sollen. Insofern ist es ein bedeutsamer und konsequenter Schritt, einen eigenen Kommentar zum Kindschaftsrecht herauszugeben, denn Kindschaftsrecht ist nicht als elterliches "Recht am Kind", sondern als "Recht des Kindes" in seiner Eigenschaft als eigenständige Persönlichkeit und insoweit als Kinderschutzrecht zu verstehen. Gerade im Hinblick auf die zahlreichen bekannt gewordenen Fälle von Misshandlungen von Kindern in ihren Herkunftsfamilien sollten Kinderrechte nicht mehr nur über Elternrechte definiert werden.

Die Literaturhinweise beziehen den im Kindschaftsrecht unerlässlichen außerjuristischen Zusammenhang zu den internationalen wissenschaftlichen Forschungsergebnissen der Humanwissenschaften ein, soweit auf Bowlby, Brisch, Fegert, Grossmann/Grossmann, Jacobi, Klosinski, Nienstedt/Westermann und viele andere verwiesen wird. Dieser Zusammenhang ist zwingend herzustellen; ohne diesen muss Kindschaftsrecht zwangsläufig leerlaufen.

Es fehlt auch nicht an Hinweisen in Form von Fußnoten auf Vertiefungsmöglichkeiten zu den einzelnen Problemen, die zweifellos in der Praxis auch genutzt werden müssen, aber den Rahmen eines handlichen Praxiskommentars sprengen würden.

Insgesamt ein sehr empfehlenswertes Werk für alle Praktiker!

Autor: Peter Hoffmann

Peter Hoffmann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Familienrecht und Arbeitsrecht, Hamburg

FF 9/2016, S. 379 - 380

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