Das Wechselmodell nimmt in der juristischen Diskussion immer breiteren Raum ein. Jüngst hat sich das OLG Hamburg in zwei Entscheidungen[1] mit möglichen Widersprüchen zwischen Wechselmodell und elterlicher Sorge befasst und es dabei für erforderlich gehalten, vorab klarzustellen, dass es "keine rechtstheoretische Entscheidung über das Für und Wider eines Wechselmodells" treffe. Das OLG Dresden[2] hat die Frage beantwortet, wie sich das Wechselmodell auf Prozess- und Verfahrenskostenhilfe auswirke; dies war Anlass für eine mehrseitige kritische Anmerkung von Christl[3] zu dieser Thematik mit dem Ergebnis, es sei bei jedem Elternteil eine teleologische Reduktion des Kinderfreibetrags, der neben anderem für die Kostenhilfeberechnung maßgeblich ist, nach dort im Einzelnen zu lesenden Kriterien erforderlich. Und der BGH erörtert in der vorstehenden Entscheidung über Seiten die Frage, wie das Kindergeld zwischen den Eltern aufzuteilen ist, wenn diese mit ihren Kindern ein reguläres Wechselmodell (hier konkret: wöchentlicher Wechsel) praktizieren.

Es ist zu vermuten, dass ein ausländischer Beobachter dieser feinziselierten juristischen Diskussionen zu der Bewertung käme, das sei typisch deutsch. Und auch manche inländischen Beobachter werden sich fragen, ob man das alles nicht einfacher und auch für den juristischen Laien (um den es schließlich geht) nachvollziehbarer regeln könne. Zusätzlich führen diese zunehmenden juristischen Diskussionen wieder zu der Frage, ob es nicht doch sachgerecht wäre, ein Wechselmodell nur anzunehmen, wenn sich die Eltern nicht nur über die Aufteilung der Betreuung, sondern auch über alle finanziellen Fragen im Zusammenhang mit ihren Kindern geeinigt haben.[4]

Mit einer solchen skeptischen Betrachtung, die ansonsten durchaus berechtigt ist, würde man jedoch der vorstehenden Entscheidung nicht gerecht. Denn sie schafft in einer praktikablen und sachgerechten Weise Klarheit zu zwei bisher diskutierten Rechtsfragen.

1. Zunächst stellt der BGH allgemein – also auch für den Fall, dass kein Wechselmodell praktiziert wird, – fest, dass es einen Kindergeldausgleich zwischen den Eltern nicht nur im Zusammenhang mit Kindesunterhalt über § 1612b BGB gibt.

Ein Ausgleich über § 430 BGB (Eltern als Gesamtgläubiger des Kindergeldanspruchs?) komme zwar nicht in Betracht, da das Kindergeld nicht beiden Elternteilen ausgezahlt werden könne, sondern gemäß § 62 EStG nur einem Elternteil ausgezahlt werden dürfe. Aber gerade deshalb – so der BGH – kann dem Elternteil, dem das Kindergeld nicht ausgezahlt wird, gegen den anderen Elternteil ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch zustehen. Das soll jedoch natürlich nur möglich sein, wenn nicht schon ein Ausgleich im Rahmen des Kindesunterhalts über § 1612b BGB erfolgt; das ist – in der Praxis selten – der Fall, wenn zwar Kindergeld gezahlt wird, dem Kind aber wegen eigenen Einkommens oder wegen fehlender Leistungsfähigkeit beider Elternteile kein Unterhaltsanspruch zusteht.

Der BGH betont in diesem Zusammenhang, dass es einen Vorrang des Kindergeldausgleichs über § 1612b BGB nicht gibt. Vielmehr steht es den Eltern frei, auf komplizierte Unterhaltsberechnungen mit Kindergeldverrechnung zu verzichten und stattdessen nur den Ausgleich des Kindergeldes über den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend zu machen.

In Randnummer 34 der Entscheidung wird erneut erwähnt, dass § 1613 BGB auch auf einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch angewandt wird. Wer einen Elternteil vertritt, dem ein Ausgleichsanspruch zustehen könnte, muss daher so früh wie möglich verzugsbegründend Zahlung verlangen oder den anderen Elternteil für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs zur Auskunft über Einkommen und ggf. auch Vermögen auffordern.[5]

2. Das Hauptthema der Entscheidung ist allerdings die Frage, wie das Kindergeld zwischen den Eltern aufzuteilen ist, wenn ein vom BGH so genanntes strenges Wechselmodell (zumindest fast hälftige Aufteilung der Betreuung) praktiziert wird.

a) In einem ersten Schritt teilt der BGH das Kindergeld auf und ordnet es wegen der Gleichwertigkeit der beiden Unterhaltsvarianten je hälftig dem Barunterhalt und dem Betreuungsunterhalt zu.

b) In einem zweiten Schritt stellt der BGH fest, wie nach seiner Ansicht die von den Eltern zu tragenden Barunterhaltsanteile zu ermitteln sind.

Dies soll gemäß § 1616 Abs. 3 S. 1 BGB erfolgen, also im Wesentlichen in der gleichen Weise, wie auch die anteiligen Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber einem volljährigen Kind berechnet werden: Die unterhaltsrelevanten Einkommen der Eltern werden addiert. Aus dem Gesamteinkommen wird ein – fiktiver – Gesamtunterhaltsanspruch des Kindes errechnet. Dieser wird sodann nicht um das volle Kindergeld, sondern nur um die auf den Barunterhalt entfallende Hälfte des Kindergeldes gekürzt. Den verbleibenden Betrag haben die Eltern anteilig nach ihren jeweiligen Einkommensanteilen zu tragen.[6]

Das führt zu dem Ergebnis, dass der Barunterhaltsanteil des Kindergeldes über den Unterhalt ...

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