[1) I. Das Verfahren betrifft die Aufhebung einer Minderjährigenadoption.

[2] Die Mutter der Antragstellerin heiratete im Jahre 1992 den Antragsgegner. Sie brachte die im Februar 1991 geborene Antragstellerin in die Ehe mit, die von einem anderen Mann abstammte und von dem Antragsgegner im Jahre 1994 adoptiert wurde. Aus der Ehe des Antragsgegners mit der Mutter der Antragstellerin gingen noch vier gemeinsame Kinder hervor, darunter die im Jahre 1997 geborene Tochter L.

[3] Sowohl die Antragstellerin als auch ihre leibliche Halbschwester L. wurden seit ihrem sechsten Geburtstag (1997 bzw. 2003) von dem Antragsgegner bis zu seiner vorläufigen Festnahme im Jahre 2008 fortwährend sexuell missbraucht. Im Jahre 2009 wurde der Antragsgegner deswegen zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Antragstellerin befindet sich in laufender psychotherapeutischer Behandlung, war zeitweise in einer psychiatrischen Klinik untergebracht und unternahm kurz nach ihrem 18. Geburtstag einen Suizidversuch.

[4] Im November 2009 beantragte die zu diesem Zeitpunkt bereits volljährige Antragstellerin die Aufhebung der Adoption. Der Antragsgegner hat sich dem Aufhebungsantrag angeschlossen. Das Amtsgericht hat den Antrag abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde.

[5] II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Mit Recht und mit zutreffender Begründung hat das Beschwerdegericht entschieden, dass die Aufhebung einer Minderjährigenadoption nach geltendem Recht nicht möglich ist, sobald das angenommene Kind volljährig geworden ist.

[6] 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen das Folgende ausgeführt: Eine Aufhebung der Adoption von Amts wegen aus Gründen des Kindeswohls gemäß § 1763 BGB scheide aus, weil diese Vorschrift nur für die Minderjährigenadoption und nur solange gelte, wie das Kind minderjährig sei. Auch gemäß § 1771 S. 1 BGB könne die Adoption nicht aufgehoben werden, weil diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur für Annahmeverhältnisse gelte, welche zu einem Volljährigen begründet worden seien. Die Vorschrift könne auch nicht analog angewendet werden, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Selbst in Fällen krassen materiellen Unrechts komme eine entsprechende Anwendung von § 1771 S. 1 BGB nicht in Betracht, zumal der Gesetzgeber das Adoptionsrecht mehrfach reformiert habe, ohne dieser Problematik mit einer Änderung der Vorschrift Rechnung zu tragen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die aktuelle Rechtslage, soweit sie einer Aufhebung der Adoption der Antragstellerin entgegenstünden, seien nicht zu erheben.

[7] 2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.

[8] a) Auf die in § 1759 BGB i.V.m. §§ 1760, 1763 BGB enumerierten Gründe für die Aufhebung einer Minderjährigenadoption kann sich die Antragstellerin nicht stützen. Die in § 1760 BGB benannten schwerwiegenden Mängel bei der Begründung des Annahmeverhältnisses bestehen nicht. Eine amtswegige Aufhebung der Adoption aus wichtigem Grund zum Wohle des Kindes sieht § 1763 Abs. 1 BGB ausdrücklich nur während der Minderjährigkeit des Kindes vor, wobei auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz abzustellen ist (MüKo-BGB/Maurer, 6. Aufl., § 1759 Rn 4 m.w.N.). Im vorliegenden Fall war die Antragstellerin schon bei der Antragstellung volljährig.

[9] b) Nach § 1771 S. 1 BGB kann das Familiengericht das "zu einem Volljährigen begründete" Annahmeverhältnis aus wichtigem Grund aufheben, wenn dies der Annehmende und der Angenommene übereinstimmend beantragen.

[10] aa) Es entspricht allgemeiner Meinung, dass die Vorschrift auf solche Fälle, in denen – wie hier – der Angenommene bei der Adoption minderjährig war und zwischenzeitlich volljährig geworden ist, schon angesichts ihres klaren Wortlauts nicht unmittelbar angewendet werden kann (BayObLG FamRZ 1990, 204 und FamRZ 1990, 1392, 1393; OLG Zweibrücken FamRZ 1986, 1149 und FamRZ 1997, 577, 578; OLG Karlsruhe FamRZ 1996, 434, 435; OLG Düsseldorf NJW-RR 1986, 300; LG Düsseldorf FamRZ 2001, 648, 649). Danach besteht auch kein Raum für eine gegebenenfalls verfassungskonforme Auslegung von § 1771 Satz 1 BGB, weil auch eine solche Auslegung am eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ihre Grenze findet (vgl. nur BVerfG NJW 1983, 1179, 1181 und NJW 1981, 39, 43; vgl. auch Senatsurt. v. 24.6.2009 – XII ZR 161/08, FamRZ 2009, 1477 Rn 28).

[11] bb) Das Beschwerdegericht hat ferner – ebenfalls im Einklang mit der einhelligen Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm NJW 1981, 2762, 2763; BayObLG FamRZ 1990, 204, 205 und FamRZ 1991, 227, 228; OLG Zweibrücken FamRZ 1986, 1149 und FamRZ 1997, 577, 578; OLG Karlsruhe FamRZ 1996, 434, 435; OLG Stuttgart FamRZ 1988, 1096 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 1986, 300 f.; LG Düsseldorf FamRZ 2001, 648, 649) und in der Literatur (Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl., § 1771 Rn 2; BeckOK BGB/E...

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